tane und dem Kardinal entwickelt hatte. In diesem Brief lesen wir auch den Namen des Pariser Erzbischofs, wobei allerdings Fontane irrtümlich „Duboy” statt Darboy schreibt. 19 Mathieu hatte ihm neben anderem vom Sterben Darboys berichtet, und Fontane geht darauf ein. Er versichert Mathieu, er habe die Nachricht „unter tiefer Bewegung gelesen, unter Tränen, die wohl jeder fühlende Mensch bei Erzählungen solches Todesmutes haben wird, doppelt aber solche Personen, deren Schicksal ein sehr ähnliches war und die, wie ich, auch nahe daran waren, wenigstens in Betreff der speziell gegen sie gerichteten Anklage, absolut schuldlos zu sterben". Diese Worte sind offenbar die Urform der freundlichen Beurteilung, die 14 Jahre später, als Fontane an „Quitt" zu schreiben begann, L'Hermite über Darboy abgeben sollte.
Der Satz im Brief macht auch deutlich, daß es keineswegs nur Dankbarkeit oder gar nur Höflichkeit gegenüber seinem Briefpartner war, die Fontane für Darboy Stellung nehmen ließ. Vielmehr empfand Fontane, den ja auch die politischen Ereignisse in Frankreich überrannt hatten, persönliches Mitgefühl für diesen Mann, der, anders als er, in der Gefangenschaft sein Leben lassen mußte. Dabei fällt Fontane aber kein Werturteil über solcherart Hinrichtung als politische Tat, sondern spricht nur den einzelnen Menschen, der hier hineingerät, frei („in Betreff der speziell gegen [ihn] gerichteten Anklage“). Auf jeden Fall geht die Erwähnung des Pariser Erzbischofs in „Quitt" auch auf Fontanes Briefwechsel mit Cesaire Mathieu zurück. Mathieu hatte ihm die würdevolle Haltung des Erzbischofs berichtet; dies bezeugt uns schon Fontanes Wort vom ,Todesmut', das wir soeben zitiert haben, es wird aber auch von dem Herausgeber des Briefwechsels, Rene Cheval, begründet. 20
Über diese Beobachtungen hinaus ist noch festzuhalten, daß Camilles Lob für Darboy auch eine wichtige Funktion im .ideologischen Kräftefeld' dieses Romans hat. Indem Fontane den Revolutionär freundliche Worte über seinen klerikalen Widerpart sagen läßt, schafft er sich selber die Möglichkeit, im Gegenzug für diesen Revolutionär und seine radikalen Ideen Anerkennendes zu sagen. Einfach ausgedrückt, Camille .gewinnt' vor dem bürgerlichen Leser, wenn er über den Bischof Gutes sagt. So mag man Camilles Äußerungen als publizistisch-politische Taktik Fontanes vor seiner Leserschaft sehen - und nebenbei auch als eine Selbstberuhigung des Schriftstellers angesichts des heiklen Themas, das er mit diesen Kommunarden behandelt. Wie man weiß, hatte Fontane seit dem Frühjahr 1871, als er die Kämpfe zwischen der Kommune und den Versaillern mit eigenen Augen gesehen, aber ohne innere Anteilnahme kommentiert hatte, eine andere Einstellung gegenüber dem Pariser Volksaufstand gewonnen. In „Quitt" läßt er seinen Lehnert Menz während des Gesprächs mit Camille für die Kommune Partei ergreifen; sagt doch Lehnert am Ende seines Augenzeugenberichtes von den Kämpfen der Kommune; „wenn er sich vergegenwärtige, was er bei der Gelegenheit alles gesehen hätte, so begreif er nur zu gut, was unmittelbar darauf von seiten der Communards geschehen sei, und könne von Grausamkeit keine Rede sein". 21 Diese Passage ist schon mehrfach interpretiert und dabei mit dem genannten früheren Kommentar Fontanes kontrastiert worden, unter anderem von Günter Jäckel in der zweibändigen Fontane-Edition „Wanderungen durch Frankreich". 22 Nicht daß Fontane sich jemals zum Befürworter der Kommune erklärt hätte, aber er hat doch im Laufe seiner letzten Lebensjahrzehnte Respekt bekommen vor den Erhebungen und dem Fortschrittsdenken des Vierten Standes. Man kennt den Satz des alten Fontane: „Sie, die Arbeiter, packen alles neu an, haben nicht bloß neue Ziele, sondern auch neue Wege." (An James Morris, 22. Februar 1896.) Hier drückt sich die Haltung aus, die sich schon mit dem Auftreten Camille L'Hermites in „Quitt" ankündigt. In Frankreich haben diese Haltung etwa die Brüder