Heft 
(1990) 50
Seite
117
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weder Graf Bernstorft selber oder der Kanzler der Gesandtschatt, Herr Albert, benachrichtigt, welche Dinge von Interesse an die Zeit zu schreiben wären. Am nächsten Tage setzt sich dann Fontane hin und meldet, wer bei dem Gesandten gespeist oder wo Herr von Bernstorft dinirt habe. Seine Glanzzeit, aber auch seine arbeitsreichste Periode war während der Hochzeitsfestlich- keiten, wo er Kleider und Ceremonien die Hülle und Fülle zu schildern hatte . 12

Es ist ein Kern Wahrheit in Bauers Bericht, denn gewiß spielte Fontane keine große politische Rolle, und er zog sich ja absichtlich von vielem zurück, z. B. der politisch ausgerichteten Berichterstattung an dieKreuzzeitung", die diese nie mehr druckte. Ihm lag viel mehr an seinen feuilletonistischen Aufsätzen über London, Theater und Kunstausstellungen. Abgesehen von seiner Behandlung der schleswig-holsteinischen Frage, sollte er für den dänischen Polizeidirektor Braestrup, den die Aktivitäten der politischen Emigranten interessierten, von geringem Interesse gewesen sein.

Am 15. September 1858 notiert Fontane in seinem Tagebuch, daß er an Mr. Charles Davenport, den Übersetzer eines Ingwersenschen Manuskripts über die schleswig­holsteinische Frage, geschrieben habe. Gleich dahinter notiert erBesuch von Edgar Bauer". Am folgenden Tage schreibt Bauer einen ausführlichen Bericht, der diesmal wohl direkt auf Fontane zurückgeht. Wir erfahren hier mehr, als in Fontanes Tage­buch vermerkt ist. Das ManuskriptHolsteinisches Portfolio" umfasse vierzig eng­beschriebene Briefbogen, heißt es, und Bauer resümiert kurz den in zwei Haupt­abschnitte geteilten Inhalt. Ingwersen hoffte, das Manuskript auf Kosten der preußi­schen Regierung drucken zu lassen.Doch so weit ich die Lage der Dinge überschaue, wird der Wunsch nicht in Erfüllung gehen", schreibt Bauer.Denn erstens ist Fon­tane unfähig, nur den vorläufig nöthigen Schritt zu thun und die 40 enggeschriebenen Briefbogen durchzulesen". Fontane selber vermeide jetzt auch die Behandlung der holsteinischen Frage in englischen Blättern, ,weil das englische Publikum den aus preußischer Feder fließenden Auslassungen über die Holsteinische Frage kein Gewicht beilege'. Und sein Korrespondent in Berlin [das muß Metzel sein (C. J.)] habe dies Verfahren gebilligt. 13 Damit scheint im wesentlichen diese komplizierte Angelegenheit erledigt. Nur noch einmal wird Fontane in diesem Zusammenhang erwähnt, als Bauer am 30. Oktober 1858 berichtet, daß Ingwersen, der inzwischen London ver­lassen hatte, Aussicht auf Publizierung seinesHolsteinischen Portfolios" habe.Der Preußische Agent Fontane", heißt es,hatte sich nicht bemüht, die Schrift an den Mann zu bringen". 14

Wir hören später (1. Mai 1860), daß Ingwersens Portfolio 1860 in Harburg gedruckt wurde, mit einer Vorrede, die die veränderte politische Einstellung des Verfassers, der sich inzwischen in Wien niedergelassen hatte, zeigte, nämlich daßder frühere Schwärmer für den .Beruf Preußens'" jetzt österreichisch gesinnt sei.

Damit ist das Problem Schleswig-Holstein erledigt. Daß es so viel Platz in Bauers Berichten einnimmt, ist verständlich, da Bauer für die dänische Regierung arbeitete, die an dem Problem natürlich brennend interessiert war. Es ist auch hier so aus­führlich behandelt worden, weil die Angelegenheit zeigt, welche durchaus schwierige Aufgabe Fontane damals hatte, und es ist nicht verwunderlich, daß er dieser nicht immer gewachsen schien. Konfrontiert mit komplizierten politischen Fragen und einem zweifellos skrupellosen Abenteurer (den er aber doch wohl durchschaut haben mag) sowie einem Landsmann, dem er ein gewisses Vertrauen schenkte und der ihn ausspionierte, befand er sich in einer äußerst heiklen Situation. Armer naiver Poet Fontane.