Es ist aber andererseits auch schwer, Fontanes Indiskretion zu verstehen, denn auf eine solche läuft es ja hinaus. Die Verhandlungen, die er in Verbindung mit der Zentralpreßstelle und dem preußischen Botschafter zu führen hatte, waren schließlich vertraulich zu behandeln. Fontane aber holte sich Rat bei Faucher, wie aus den Tagebüchern deutlich hervorgeht, und hat möglicherweise auch mit Bauer selbst über diese Dinge gesprochen.
Auch dem politischen Fehler, den Fontane in der Neuen Ära (im August 1859) durch einen voreiligen Artikel beging und der schließlich zum endgültigen Ausscheiden aus der Zentralstelle führte, liegt in gewissem Sinne ebenfalls eine Indiskretion zugrunde.
Fontane hatte die Persönlichkeit Fauchers sowie die Bauers damals nicht durchschaut. Er kannte zwar Fauchers Exzentrizitäten und Übertreibungen, aber er hielt viel von seinen Kenntnissen und seinem Urteil, wie aus Tagebuch und Briefen hervorgeht. 15 Auch Bauer gegenüber hatte er gewisse Bedenken, was ihn aber nicht davon abhielt, Edgar Bauer der »Kreuzzeitung" als neuen Korrespondenten zu empfehlen, als er selbst seine Mitarbeit dort auf feuilletonistische Artikel einzuschränken begann: „Was die gegenwärtigen Ansichten Bauer's angeht, so quali- ficiren sie ihn zu einem englischen Correspondenten für die Kreuz-Zeitung vielleicht besser, als irgend wen anders, den ich hier zu nennen wüßte. Diese philosophischen Leute haben außerdem ein Talent sich zu accomodieren, weil sie sich einbilden über den etablirten Partheien zu stehn und den Vorwurf der Unkonsequenz mit einem ,o, ich habe das s o gemeint' abzulehnen wissen." 16 Fontane durchschaute also Bauers politische Unzuverlässigkeit bis zu einem gewissen Grade. Wenige Tage vorher, am 17.12.1857, notiert er in seinem Tagebuch ein Zusammensein mit Bauer und schreibt: „Er ist doch fast zu praktisch. ,Ideen sind Phrasen' etc."
Im unklaren über Bauers politischen Charakter ist sich Fontane also damals schon nicht gewesen (um so erstaunlicher seine Unvorsichtigkeit in der Mitteilung doch wohl vertraulicher Verhandlungen), aber im Alter sieht er alles sehr viel klarer. Vielleicht hat er auch Bauers weitere politische Entwicklung in den Zeitungen verfolgt. In einem Brief an Heinrich von Friedberg vom 3. September 1899 trifft er den Nagel auf den Kopf. Er nennt hier (zusammen mit anderen) Julius Faucher, die Bauers - „namentlich Edgar Bauer" - politische Hochstapler. „Ich nenne alle diejenigen Personen .Hochstapler', die ohne amtlichen Beruf zur Politikmacherei dennoch Politikmacherei betreiben, aber nicht einer Idee, sondern nur ihrer Person und ihrem äußerlichsten Vorteil zuliebe." — Sie, Faucher, Edgar Bauer etc. „schlugen den Esel (ihre sogenannte Idee) und meinten den Sack, den Geldsack." 17 Daß das Geld auch bei Edgar Bauers Konfidentenberichten eine wesentliche Rolle spielte, wird aus den immerwährenden Bitten um Geld deutlich.
Neun Jahre nach diesem Brief kam Fontanes Autobiographie „Von Zwanzig bis Dreißig" heraus. Hier fällt kein böses Licht auf Edgar Bauer. Er betont seinen Witz und seine glücklicken Einfälle, die Fontane zur Erzählung einer Anekdote verlocken. Dasselbe gilt für den viel ausführlicher behandelten Julius Faucher, der Fontane ebenfalls Anlaß zur Anekdotenerzählung gab. Er war für ihn einfach ein Exzentriker, der Typ eines sogenannten Genies der dreißiger und vierziger Jahre, was „Pump- und Bummel-Genie" mit einschloß. Das Erzählerische, das Dichterische war für Fontanes Autobiographie das Ausschlaggebende, nicht die sachliche biographische Wahrheit der dargestellten Gestalten.
Die Konfidentenberichte Bauers sind hier nur, soweit sie Fontane betreffen, behandelt worden. Darüber hinaus ist diese Publikation von 135 Berichten nebst zahlreichen Briefen über die europäische Emigration in London von 1852 bis 1861 von
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