die Darstellung zu Recht als unvollständig und manchmal unbekümmert im historischen Detail kritisieren kann, belegt sie die Unerläßlichkeit von schriftstellerischem Talent in der Literaturpsychologie, denn selbst Paulsens Fehler und Auslassungen können dem Wahren und Neuen an dieser Darstellung nichts anhaben, sondern fordern uns heraus, es selber besser zu machen. Ohne den freimütigen Austausch von liebevollem Tadel in Dutzenden von ellenlangen Briefen mit Paulsen wäre mir diese Studie nie gelungen — auch wenn sie mit seinem Buch in mancher Hinsicht nicht übereinstimmt.
3 Nicht unwichtig sind die Passagen über Fontanes Onkel August in „Von Zwanzig bis Dreißig", bei dem er als Schüler und Lehrling unterkam, da dieser eine doppelte Portion der väterlichen Schwächen zu haben schien. Hier kann der Dichter weniger rücksichtsvoll schreiben, „Ich kann sagen, mir ist, nachdem ich der Sache erst mal auf den Grund gesehen, das ,Affable' durch Erscheinungen wie die meines Onkels geradezu verleidet worden, und wenn ich mich, was öfters geschieht, auf meine ,Liebenswürdigkeit' hin angesprochen sehe, so kommt mir jedesmal der Gedanke: .Solltest du vielleicht auch ...', und eine Gänsehaut überläuft mich." „Gesammelte Werke", Bd. 15 - München: Nymphenburger Verlagsbuchhandlung, 1967, S. 325.
4 In dieser Hinsicht bin ich ganz anderer Meinung als Paulsen und behaupte, „intakt" leidet nur daran, daß uns die Begriffe fehlen, um die Großartigkeit jener Zweierbeziehung auszudrücken. Diesem Dichter hat die Liebe seiner Frau nicht gefehlt, denn dieser Mensch hätte sich dann einen Ersatz gesucht, wofür es aber nicht die leiseste Andeutung gibt. „Melusine" ist ein sehr wichtiger Fontanescher Topos, aber er führt ihm die Feder nicht wider Willen wie jener Vererbungskomplex, von dem hier die Rede ist, der sozusagen aufzeigen will, wonach Paulsen nicht gefragt hat, aber hätte fragen müssen, ehe er sich mit der Freundschaft zu Lepel auseinandersetzte.
5 „Meine Kinderjahre. Autobiographischer Roman. - Hrsg. Christian Grawe - Stuttgart: Philipp Reclam Verlag, 1986, S. 149; alle Seitenangaben diese Ausgabe. Im Nachwort wird belegt, schon die Zeitgenossen sahen darin „das Muster einer psychologischen Analyse", S. 245.
6 Am bekanntesten sind die Schriften des Kanadiers Eric Berne, etwa „Spiele der Erwachsenen" (= „Games People Play", 1964) oder „Was sagen Sie, nachdem Sie .Guten Tag' gesagt haben? (= What do you say after you say .Hello'", 1972), die allerdings schlecht übersetzt wurden.
7 S. 100.
8 S. 111.
9 S. 175.
10 S. 171f.
11 Als Tiefpunkt darf man wohl den Abend vom 9. April ansehen, als sich der Dichter und gelernte Apotheker beinah vergiftet hätte. Da es verschiedene Darstellungen des Vorfalles gibt — man vergleiche den Brief an Karl Zöllner vom 9. 4. mit dem an Georg Friedlaender vom 22. 4. —, können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob und was für ein „Apothekerversehen" vorlag oder ob es sich nicht um eine Art Fehlleistung handelte. Der Hinweis im Friedlaender-Brief auf „starken Wein, auf dessen belebenden Zuspruch ich seit Wochen angewiesen
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