Bernhard Zand, Hamburg (Hrsg.)
Journalistische Gefälligkeiten.
Sieben unbekannte Artikel aus Fontanes „Kreuzzeitungs"-Jahren
1. Einleitung
Als Fontane im Mai 1860 in die Redaktion der „Neuen Preußischen [Kreuz-] Zeitung" eintrat, stand er im 41. Lebensjahr und damit auf der Höhe wenn nicht seiner literarischen Gestaltungskraft, so doch seiner beruflichen Leistungsfähigkeit. Der Arbeitsalltag der folgenden zehn Jahre war mehr als ausgefüllt; im Vergleich zu den unmittelbar vorangegangenen Monaten, die unter dem Eindruck massiver beruflicher und materieller Sorgen gestanden hatten, prägte ihn jedoch eine gewisse Beschaulichkeit: Von morgens halb zehn bis mittags halb eins saß Fontane „auf der Redaktion" und stellte den „englischen Artikel" zusammen. Den Nachmittag und Abend brachte er mit eigenen Arbeiten zu, den Wanderungs- Aufsätzen, dem über Jahre hin konzipierten und in Etappen niedergeschriebenen Roman - Vor dem Sturm - und, nicht zu vergessen, den Büchern über die Kriege von 1864 und 1866.
Soviel Zeit und Aufwand Fontane diese Arbeiten, vor allem die rechercheintensiven Kriegsbücher, gekostet haben mögen - in die Redaktion hat er die Manuskripte wohl nicht mitgenommen. Es blieben ihm also, die gemeinsam mit George Hesekiel geführten Sticheleien gegen den Kollegen Hermann Goed- sche abgerechnet 1 , täglich annähernd drei volle Bürostunden, denen ein erstaunlich schmales Arbeitspensum gegenüberstand. Fontane war für den „englischen Artikel" zuständig, eine Kompilation von Kommentaren und Berichten der größeren Londoner Zeitungen, die er zu übersetzen und redaktionell aufzubereiten hatte. Für den in langen Korrespondentenjahren erfahrenen Journalisten dürfte das eine Routinearbeit gewesen sein; im übrigen war er gehalten, für die Berichterstattung über die beherrschenden politischen Themen der 60er Jahre - preußischer Heereskonflikt, Zuspitzung des preußischösterreichischen bzw. deutsch-französischen Verhältnisses - Zeilen zu sparen. Berücksichtigt man schließlich, daß Fontane ein überaus fleißiger Mensch war, dem das „bloße Stundenabsitzen" - das Wort fällt im „Kreuzzeitungs"-Kapitel seiner Autobiographie 2 - wenig Freude gemacht haben wird, so liegt es gewissermaßen in der Logik seiner Biographie, daß er über das offizielle Ressort hinaus Beiträge für die Zeitung geliefert hat.
Viele dieser Beiträge, vor allem die namentlich oder mit Fontanes „Kreuzzei- tungs"-Kürzel „Te" gezeichneten Artikel sind längst identifiziert und in den betreffenden Bänden der „Hanser"- und „Nymphenburger"-Ausgabe abgedruckt. Es sind dies die Berichte von den Berliner Kunstausstellungen, etliche Rezensionen literarischer bzw. historischer Bücher, wenige Reportagen sowie ein paar Berichte von Veranstaltungen in Berlin und im Berliner Umland, die man unter der Rubrik „Lokales" zusammenfassen könnte.
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