einer „Schreibweise" dar, die das Thema, wie Fontane zusammenfassend über das zum Vorabdruck in der „Deutschen Rundschau" bestimmte „Tunnel"- Kapitel seiner Erinnerungen an Julius Rodenberg schrieb, „mehr menschlich als literarisch" 3 ' erörterte und das Interesse für Menschendarstellung „im Guten und Bösen, im Hübschen und Nichthübschen" ungeteilt an „Wahrheit" knüpfte: „Das Zeitalter des Schönrednerischen ist vorüber, und die rosenfarbene Behandlung schädigt nur den, dem sie zuteil wird. Freiweg!" 32 Unter solchem Aspekt ist Fontane sein Porträt Storms, wie jede Konfrontation mit einem Lese- oder Hörerpublikum von neuem erweist, unwiderstehlich gelungen - bis hin zur Beschreibung des gemeinsamen Spaziergangs ins Café Kranzler, der den Erzähler zu der Überlegung veranlaßt: „Storm war wie geschaffen für einen Tiergartenspaziergang an dichtbelaubten Stellen, aber für Kranzler war er nicht geschaffen." Den ausgedienten Schal mit den zwei Puscheln, den er wahrscheinlich auch am Husumer Deich trug, den trug er jetzt unter den Linden, aber er bestand darauf, zu Kranzler zu gehen, wo er dann angeblich zu der „brunhildenhaften Comptoirdame" sogleich in ein „lyrisches Verhältnis” 33 trat - bleibt nur zu ergänzen, daß Fontane doch ebenfalls gern gestricktes Wollzeug trug, was Augenzeugen und auch er selbst bestätigt und Karikaturisten verewigt haben.
Als 1898 Von Zwanzig bis Dreißig (und darin das Storm-Kapitel) erschienen und in der „Neuen Zürcher Zeitung" sehr positiv besprochen worden war, mußte die Redaktion, offenbar unter dem Eindruck von Leserbriefen, einen vermittelnden Rückzieher machen. „Der verehrte Rezensent", hieß es in einer redaktionellen Stellungnahme, „habe Fontane nachgerühmt, daß er 'Menschen und Dinge' wohlwollend beurteile", das sei zwar in einem gewissen Sinne richtig, ebenso sei man aber überzeugt, „daß manche Personen nach Lektüre des Werkes einen gegenteiligen Eindruck haben könnten, ohne sich geradezu im Unrecht zu befinden". Eine „gewisse Kälte" in Fontanes Darstellung beruhe auf dem „Überwiegen des Verstandes und dessen kalt glänzender Eleganz", und dafür sei einerseits seine französische Abstammung, anderseits aber auch „etwelche Schnoddrigkeit des Berliners" verantwortlich. 34 Vorangegangen war eine lange und komplizierte Beziehung. Ein denkbar unterschiedliches Naturell und die Verschiedenheiten der sozialen Stellung hatten nicht weniger als die anders geprägten dichterischen Talente dazu beigetragen, daß aus der Begegnung zwischen Storm und Fontane niemals eine vorbehaltlose menschliche Freundschaft werden konnte. Übereinstimmende Interessen und Fontanes psychologische Neugier auf einen „Typus" 33 ließ die Verbindung zwischen den beiden Künstlern aber auch nie ganz abbrechen. Im Grunde dienten Fontane die Auseinandersetzung mit Storm und seine zuletzt auf Polarisierung zielenden Positionsbeschreibungen seiner Selbstdefinition als Künstler. Storm zeigte sich seines Weges völlig sicher. Er wurde durch die Arbeiten Fontanes, auch durch dessen gelegentliche kritischen Änderungsvorschläge, kaum oder gar nicht beeinflußt. Fontane konnte sich dem Lyriker Storm nicht in gleicher Weise entziehen. Bei seinen Äußerungen über das Wesen des Gedichts, über das „Lied" und über das „Lyrische" hat man sich immer wieder Storm als ausdrücklichen oder heimlichen Adressaten zu denken. „Das Lyrische ist sicherlich meine schwächste Seite, besonders dann wenn ich aus mir selber und nicht aus einer von mir geschaffenen Person heraus, dies und das zu
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