als Zeichenträger bei aller ästhetischen Verfremdung auf eine in der geschichtlich-sozialen Welt vorhandene geographische Region." 73 Der engere Begriff meint eine ländlich-provinzielle Bestimmtheit des literarischen Raums. „Referenz heißt in diesem Fall nicht notwendig das Verweisen auf eine bestimmte provinzielle Region, sondern auf Provinz überhaupt als Element der Lebenswelt. (...) Es stellt somit ein kulturelles Deutungsmuster dar, ein Element sozialer 'Topik', dessen literarische Transformationen der Autor zu analysieren unternimmt. 74
Auf Mecklenburgs grundlegendes Buch ist durchgehend zu verweisen; referiert seien nur einige für den hier dargestellten Zusammenhang wichtige Einsichten: Es handelt sich bei der Entfaltung von Regionalität um ein europäisches Phänomen, aber der deutsche poetische Realismus bot besonders günstige Möglichkeiten für ein Regionalitätskonzept vorzugsweise ländlich provinzieller Bestimmtheit. Problematisiert worden ist dieser Regionalismus bereits von den Autoren selbst; so erklärten ihn etwa Otto Ludwig und Berthold Auerbach durch die Provinzialität der deutschen Verhältnisse bedingt. Territoriale Zersplitterung und eine noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein vorherrschende agrarische Gesellschaftsstruktur zeichneten den Weg ebenso vor wie die Tradition eines deutschen Provinzialismus hohen geistigen Ranges, wie sie Goethe klassisch in der Kombination von „Weltbürger" und „Weimaraner" vorgelebt hat. Bedeutende Kritiker wie Erich Auerbach und Georg Lukács haben im Vergleich mit der zeitgenössischen europäischen Literatur eine gewisse Enge des deutschen poetischen Realismus konstatiert, als mangelnde Erfassung der modernen gesellschaftlichen Wirklichkeit, Festhalten an konservativen Kulturmustern und traditionellen ästhetischen Konzepten. Dem ist widersprochen worden; mittelbar ist auch Mecklenburgs Werk noch eine Frucht dieser Auseinandersetzung, über die es jedoch produktiv hinausführt. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt im 20. Jahrhundert, der Nachweis, daß Regionalismus und Moderne sich keineswegs ausschließen, ist das Ziel der Untersuchung. Mecklenburg fand jedoch regionale Elemente nicht nur in der deutschen Literatur unseres Jahrhunderts auch da „wo sie sich nicht einer Anti-Modeme zurechnen lassen", er bemerkte sie auch „im 19. Jahrhundert in der Literatur des 'poetischen Realismus'", und sie ließen sich auch dort nicht lediglich „als Vorformen der 'Heimatkunst' bezeichnen." 75 Wo ist in solchem Zusammenhang der Platz des Autors von Vor dem Sturm ? Mecklenburg hat sich in seinem Buch mit Fontanes Romanen nicht näher beschäftigt. Wenn er zum Begriff der Regionalität im poetischen Realismus formuliert: „Das Kleine, das Detail, das zugleich Objektivität verbürgen soll, das Einfache, in dem Klassizität und Volkstümlichkeit zusammengedacht wurden, das Alltägliche sollte das Ganze spiegeln, das Partikulare das Universale, das Regionale das Allgemein-Menschliche" 76 - so mag er sich durch folgende Briefäußerung Fontanes gegenüber dem Historiker Friedrich Wilhelm Holtze, der ihn mit Literatur versorgte, bestätigt finden: „Alles Biographische wäre mir sehr willkommen; doch mache ich mir wenig aus den Biographien der Berühmtheiten und ziehe die Biographien verhältnismäßig kleiner Leute (Biographieen, die allerdings sehr rar sind) weit vor. Mit anderen Worten auf Schilderungen des Kleinlebens in Dorf und Stadt kommt es mir an; - die großen historischen Momente laß ich ganz bei
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