tisch dürre Zeit fortgeschleppten Pläne berechneten Ausdruck gefunden; 'berechnet' insofern, als es sich dabei zugleich um Werbung für die Wanderungen handelt, was aber die Überzeugungskraft der geschilderten Szenen kaum mindern kann. Wie Rheinsberg und das Havelland in schönen und ruhigen Bildern während der Wasserfahrten in Schottland vor den Augen erscheinen und die Liebe des Erzählers zu ihnen eindringliche Worte findet, das ist so glücklich empfunden und gestaltet, daß man der Dichtung ihr Recht nicht streitig machen wird. Gestalt und Sinn stimmen überein.
Mit der Rückkehr aus England enden die Lehr- und Wanderjahre Fontanes, der Zeitraum des dritten und vierten Jahrzehnts, eine trotz Krisen und Widersprüchen für Werkforscher und Biographen 'dankbare' Epoche. Ihr Verständnis erschließt sich von Fontanes Spätwerk her, für die sie wie eine Vorbereitung erscheint. Nicht zufällig korrespondieren wirkungsgeschichtlich die aufmerksame Erforschung des jüngeren Fontane mit dem vertieften Verständnis für den gesellschaftskritischen Romancier. Ebensowenig zufällig allerdings die zögernde Auseinandersetzung mit dem „mittleren" Fontane der „Kreuzzei- tungs"-, Wanderungen-, und Kriegsbücher-Zeit. Wruck hat auf das damit verbundene Forschungsproblem 1986 nachdrücklich hingewiesen. 87 Die betont 'preußische' Zeit Fontanes erschien, vom Ende her gedeutet, wie ein Umweg. Diese Zeit nicht nur final zu deuten, sondern um ihrer selbst willen in all ihrer Komplexität zu verstehen, dürfte eine der Hauptaufgaben der künftigen Forschung darstellen. 88
4. Eine Nachmittagspredigt
Was immer auf den 'mittleren Fontane' einwirkte, seine Interessen, Zeit, Kräfte in Anspruch nahm - eine immense Arbeitsleistung steckt in den vielen tausend Seiten der Kriegsbücher und Wanderungen- Bände, Reisebücher, Theater- und Literaturkritiken der Jahre von 1859 bis 1878 -, die wichtigste künstlerische Leistung dieses Zeitraums ist der Roman Vor dem Sturm. Es ist ein Roman, der - ähnlich wie später der Stechlin - Erneuerung in symbolischer Weise gestaltet. „Es gelang Fontane", bemerkt Hubert Ohl, „mit diesem Roman noch in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts (...) den individuellen Lebensweg einiger Romangestalten mit dem Allgemeinen einer göttlichen Ordnung auszusöhnen" und über die Geschichte einer einzelnen Familie noch das Geschick eines ganzen Volkes in diese Hoffnung auf „endliche Versöhnung und Erneuerung" einzubeziehen. 89
Die Erneuerung der Welt aus der Kraft der Gnade wird in Fontanes Roman freilich in perspektivischer Brechung beschrieben. Das Eintreten des „großen Moments - der historischen Stunde von besonderer Bedeutung - steht nicht im Vordergrund der Darstellung. Die als Antwort auf die Herausforderung gedachten Handlungen, Vitzewitz' Pläne zu einem erbarmungslosen Guerilla- Krieg, werden durch ihr Mißlingen in ein ironisches Licht gesetzt. Der Prozeß der Erneuerung vollzieht sich im Innern der Menschen, und er findet seinen Ausdruck in privaten Schicksalen. Es ist Marie Kniehase, die im Mittelpunkt der weitverzweigten Symbolik des Romans steht. In Lewins Ehe mit der nicht