ebenbürtigen Tochter des „starken Mannes" gründet ein neuer Anfang, nicht nur für seine Familie. Der alte Bamme wird dieser Zuversicht im Gespräch mit Vitzewitz klaren Ausdruck verleihen:
Wir sind unter uns Vitzewitz (...), und können uns ohne Gefahr unsere Geständnisse machen. Mitunter ist es mir, als wären wir in einem Narrenhause großgezogen. Es ist nichts mit den zweierlei Menschen. Eines wenigstens glaubten wir gepachtet zu haben: den Mut, und nun kommt dieser Kakerlaken- Grell und stirbt wie ein Held mit dem Säbel in der Hand. Von dem Konrektor sprech' ich gar nicht erst; ein solcher Tod kann einen alten Soldaten beschämen. Und woher das alles? Sie wissen es. Von drüben; Westwind. 90
Fontane sagt ab und bewahrt: Erneuerung ist das Ziel, und was sie ermöglicht, ist die Berührung durch das Draußen, den „Westwind", also das Sich-nicht-Verschließen vor der Welt. Dem 'mittleren Fontane' war es mit seiner Parteinahme für die konservative Welt des Adels Ernst. Es gibt zahlreiche Zeugnisse dafür, und sie sprechen eine eindeutige Sprache. Fast instinktiv jedoch tendierte er zu jenem echten Konservatismus, der Beharren auf der Tradition mit der Bereitschaft zur Erneuerung verbindet. Zuweilen mußte er sich selbst in seinem Bewußtsein erst vergewissern, was er in seiner Gestaltungskraft bereits vorweggenommen hatte - dann liest sich eine Briefäußerung weniger als Ausdruck einer ungeteilten Überzeugung, denn als Angebot zur Interpretation, wie etwa die folgenden Zeilen an seinen Verleger:
Glückt es, diese Seite des Romans zur Geltung zu bringen, so haben wir ein „Zeichen der Zeit" und damit vielleicht gewonnen Spiel. (...) Ich muß dabei einen Augenblick verweilen. Der große Zug der Zeit ist Abfall. Aber man hat es nachgerade satt. Die Welt sehnt sich aus dem Haeckelismus wieder heraus, sie dürstet nach Wiederherstellung des Idealen. Jeder kann es jeden Tag hören. Und es ist ernst gemeint. Da kommt nun dieses Buch, das dem in tausend Herzen lebendigen Gefühl Ausdruck verleiht. Hätt ich es gewollt, hätt ich auch nur einen Tropfen ‘fromme Tendenz' hineingetan, so wäre es tot, wie alles Zurechtgemachte. Aber es steckt in dem Buch ganz gegen mein Wissen und Willen. Ich finde es jetzt zu meiner Überraschung darin, und doch liegt eigentlich kein Grund zur Überraschung vor; denn alles, was ich gegeben habe, ist nichts als der Ausdruck meiner Natur. Ich hoffe, daß es auch so wirkt. Trifft dies zu, so ließe sich sagen: 'Seht, der Wind dreht sich; die alten Götter leben noch. (...) Das Christentum ist nicht tot. Es steckt uns unvertilg- bar im Geblüt, und wir haben uns nur daraufzu besinnen. Jeder, der sich prüft, wird einen Rest davon in sich entdecken. Und diese Reste müssen Keime zu neuem Leben werden.' Was sagen Sie zu dieser Nachmittagspredigt? 9 1
So betrachtet ist der Roman ein Werk unaufdringlicher Kritik an der Gegenwart seiner Zeit, die er mit einer kraftvollen Gesinnung konfrontiert, wie sie in einer Situation der Krise und Bewährung zutage trat. Der Region, in der die Handlung spielt, kommt hier insofern eine besondere Bedeutung zu, als es sich um einen preußischen Kernraum handelt, nämlich um einen Teil jenes alten Prreußen, das nach 1871 in dem neuentstandenen Reich seine Konturen und do amit seine Prägekraft zu verlieren drohte. So sah es jedenfalls Fontane, und s
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