nach Kugler zunächst einmal „liebenswürdig" und „gemüthvoll" 29 , um den Betrachter mit ihrer heiteren Anmut einzunehmen. Mit diesem für ihn zentralen Anliegen der Malerei rückt Kugler die stimmungsgeladene „Individualität" des Gemäldes so weit in den Vordergrund, daß fraglich bleiben muß, inwieweit es dem Betrachter noch vorbehalten bleiben kann, aus jedem Bild das „seelen- hafte gedankenvolle Wesen" 30 des Malers herauslesen zu können. Verständlicher werden diese Wendungen, interpretiert man sie als ein vorsichtig formuliertes Zeugnis aus den Zeiten obrigkeitlicher Zensurpolitik, das den einzelnen dazu ermuntern möchte, das „Wesentliche der Kunst" mit dem „subjectiven Gefühle aufzufassen", um die „Interessen" und „Bestrebungen der Gegenwart vergessen" zu können. 31
Dennoch läßt diese Bildästhetik, die den eigenen Stimmungen angesichts des Bildes breitesten Raum zubilligt, die romantische Vorstellung von individueller Gestaltungskraft ebenso hinter sich wie Goethes These, Bilder müßten zunächst einmal intensiv erlebt und anschließend erarbeitet werden. Im Grunde treibt Kugler die Scheidung der Künste voran, die seit Lessing propagiert wurde, ohne jedoch die spezifisch eigenen Mittel der Malerei hinreichend zu würdigen. Auch Fontane hat sich mehrfach mit dieser Entfernung Kuglers vom eigentlichen Gegenstand und der daran geknüpften Poetisierung der Malerei auseinandergesetzt und darauf aufmerksam gemacht, Bilder könnten nur erlebt werden, indem der Betrachter die intellektuelle Spannung aufnimmt, die der Künstler zwischen seiner subjektiven Wiedergabe der Natur und dem allgemeinen Blick der Zeit auf eine nur krude Umwelt im Bild angelegt habe. Dabei spricht Fontane jedem Kunstgenießer durchaus den „Muth" zu, „eine selbständig gehabte Empfindung auszusprechen ", 32 Doch schon die Betonung, die Fontane auf die Eigenständigkeit des Kunsturteils legt, muß darauf aufmerksam machen, daß er den durch das Bild evozierten Gefühlen gegenüber mißtrauisch bleibt. Noch in der vermutlich erst 1883 entstandenen kleinen Schrift, die der Frage nachgeht, ob der „Laie, der Kunstschriftsteller eine Berechtigung zur Kritik über Werke der bildenden Kunst” besitzte, setzt er sich mit den Konsequenzen auseinander, die diese emotionalen Formen der Bildaneignung nach sich ziehen können. Voller Ironie beschreibt Fontane die Reaktionen der Bewunderer, die von der „Wucht der Sprache", von „Gesinnung" und vom „Geheimnisvollen in der Kunst sprechen; und nicht minder humorvoll skizziert er das Wesen all der Kritiker, die sich gegen jene „'großen orakelhaften Worte'" auflehnen, die der vorgeblich ideenarme Künstler nicht selten in seine „Dunkelschöpfung" hinein' interpretiert sehen möchte. Bekanntlich charakterisiert Fontane sein eigenes Schaffen als „Dunkelschöpfung im Lichte zurechtgerückt", und er findet mit Hilfe dieser Metapher ein ästhetisches Programm, das den Anspruch des Künstlers Fontane auf Vieldeutigkeit im Werk mit dem der Erkenntnismöglichkeiten für den Leser vereinbart. Als Autor und Kritiker bleibt Fontane ganz bewußt indifferent, indem er sich für einen Mittelweg entscheidet, der sich Urteile nur dann erlaubt, wenn diese offen bleiben für die vom einzelnen nie- mals vollständig zu erschließende Gedankenwelt des Kunstwerks:
Ich persönlich stehe durchaus auf seiten der Bewunderer, aber doch nicht so, daß ic h nicht die vollkommene Berechtigung der Gegenpartei zugeben oder mich in ihr
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