eigene Definition des Realismus, jene bereits angesprochene Sonntagsstimmung in der Kunst, die die Wahrheit mit einer Portion 'Idealität' versehe. „ Glaube, Liebe, Hoffnung " s ind damit aber entschieden nicht angesprochen, wie der Leser dem voraufgehenden Bericht über die Wellington- Monumente entnehmen konnte: „Ich liebe diese billige Symbolik nicht sehr".68 Eine solch strikte Ablehnung der Personifikation 'ewiger Wert' und Glaubenssätze durch Roman- oder Bildfiguren schließt auf seiten Fontanes jedoch nicht aus, daß der Maler oder Autor seinem Werk eine Grundstimmung unterlegt, die noch die krudeste Realität mit distanzschaffenden Mitteln aufhellt. - Auf diese Verklärung einer an sich unverstellten Naturstimmung in Bildern der Präraffa- eliten hatte zuerst John Ruskin hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, diese Künstlergruppe dringe vorbildlich über die den Wissenschaften zugänglichen Gesetzmäßigkeiten hinaus: „Naturgesetze versteht" der Künstler, „sie sind ihm keine Schranken. Sie sind seine eigene Natur ." 69 Solche Gesetze sind also nur die Basis des Kunstschaffens und nicht, wie Ruskin hinzufügt, das Ziel der Malerei. Ein Ideal entsteht nach Ruskin nicht durch Abstraktion, wie Goethe es gefordert hatte, sondern aus der Darstellung eines Objekts in seiner naturgmäßen Erscheinung. So ist es die „geistige Idee " 70 eines bestimmten Alpenkrauts, noch in den ärgsten Unbilden seinem biologischen 'Auftrag' nachzukommen; infolgedessen wäre es völlig verfehlt, rückte der Maler auf seinem Bild die von Wind und Eis zerzausten Blüten und Blätter in eine widernatürliche Ordnung. Die Kunst stilisiert eben keine schönen Dinge, sie widmet sich der Schönheit des Lebens schlechthin.
Dieser grundromantische Tenor prägt auch nach Fontane das Werk der Präraf- faeliten: „Ihr Gebiet ist das Genre. (...) Sie malen Romanzen, stimmungsreiche Darstellungen eines Hergangs, Episches mit stark lyrischer Färbung ." 71 Im Unterschied zu David Wilkie erfassen diese Künstler keinen bestimmten Augenblick, sie erfahren ihn und verleihen diesem Gefühl einen sichtbaren Ausdruck. Das Verfahren, dessen sie sich bedienen, gleicht im Wortsinn einer Aufzeichnung, die dem ruhigen Einklang von Natur und künstlerischer Gefühlswelt zu entsprechen versucht. Dennoch spricht für Fontane aus dieser Ruhe noch der Hinweis auf etwas Allgemeingültiges, das die Gefühlswelt des Malers bei näherer Betrachtung des Bildes wieder vergessen läßt. Hinter der eigentlichen Darstellung nimmt Fontane eine Gedankenvielfalt wahr, die für ihn diese Bilder überhaupt erst beschreibbar werden läßt. Und so kündet auch die ruhige Szene, die Millais für seine Herbstblätter wählt, für Fontane vom immergegenwärtigen Wechsel aller Stimmungen und Begebenheiten:
Hier handelt es sich nicht mehr um ein mußevolles Kopieren der Natur, sondern um das Festhalten im Geist eines ganz bestimmten Moments. (...) So gewiß sich Zorn, Zuneigung, Angst, Verlegenheit malen lassen, ebensogut auch die Wehmut, jener fromme Schauer, der uns ergreift, wenn das Herbstlaub still und tot von den Bäumen fällt72 .
Es gehört zur Erkenntnisleistung dieses angehaltenen Augenblicks, über den Wechsel der Zeiten hinaus auch die Wehmut als eine Stimmung darzustellen, die nicht dauerhaft sein kann. Schließlich unterliegt auch sie dem ewigen