Gesetz des Lebens, das jedes Gefühl im Gang der Zeiten verändert. Mit dem Fallen der Herbstblätter verbindet Fontane eine lyrische Stimmung, aus der sich die Erzählweisen vom ewigen Werden und Vergehen schöpfen. Millais gleicht daher einem „Poeten", eben weil er ohne jede Sentimentalität den Grundton aller Trauer auf einen weiterführenden Begriff bringt und sie der Hoffnung auf die Zeit unterstellt. Diese Bedeutung entnimmt Fontane jedenfalls dem Bild und stellt sie in den Mittelpunkt seiner Bildbeschreibung. An sich, so fährt Fontane fort, sei das Bild auf den ersten Blick „einfach genug": Drei Mädchen sind zu sehen, die gemeinsam Herbstlaub zusammenharken. „Aber der Maler hat es verstanden, durch den Ton, die Stimmung, die er dem Ganzen lieh, diesem einfachen Vorgang einen unendlichen Reiz zu geben." Ähnlich dem Maler, deutet Fontane durch die Gegenüberstellung verschiedener Bildmotive an, daß das Gefühl der Wehmut angesichts des Sommerendes aufgehoben wird. Die „tiefvioletten Streifen" am Himmel - 'hintergründig' aufgemalt - betonen nicht nur den „Sonnenuntergang", der auch in der Literatur stets auf etwas Endliches anspielt, sie erlauben Fontane den Schluß, ein „kühler, frischer Tag" gehe vorüber, der bereits die nächste Jahreszeit, den Winter ankündige. In dieser spätherbstlichen Szenerie, die den fließenden Übergang alles Zeitlichen 'symbolisiert', läßt sich für Fontane das Verhältnis der Schwestern untereinander auch nicht mehr eindeutig bestimmen. In sechs Fragen, ebenfalls mit lyrischem Ton vorgetragen, erkundet er abschließend das Gestern und Heute der Mädchen und widmet sich dem Grund ihrer Trauer. Eine eindeutige Antwort versagen sich Maler und Interpret, doch dieses Schweigen steigert für Fontane die Aussagekraft des Sujets: „In jener reizvollen Vieldeutigkeit, die man an schönen Liedern mit Recht zu preisen und zu bewundern pflegt, liegt auch der Zauber dieses Bildes." 73 Fontanes kunstvoll aufgebauter Text belegt exemplarisch die nicht zuletzt auch von Goethe vertretene These, daß „Natur" und „höhere Sinnesart" 74 sich nicht grundsätzlich auf einfachem Weg entschlüsseln lassen müssen. Neben der Beschreibung wendet sich Fontane erstmals gegen das strenge Reglement der Klassik und läßt mit den Präraffaeliten die Abkehr der Kunst von den griechischen oder christlichen Idealen des frühen 19. Jahrhunderts beginnen. Mit Nachdruck plädiert er dafür, daß sich die zeitgenössische Malerei um die "Klarheit der Ansicht" und „Heiterkeit der Aufnahme" durch den Betrachter nicht bemühen muß. 75 Während Goethe noch die „Leichtigkeit der Mitteilung" 76 vom Künstler verlangt, begrüßt Fontane den „kühnen Griff ins wirkliche Leben und den endgültigen Verzicht auf „klassischen Faltenwurf" und „französische Perücke." 77 Mit Goethe, dies sieht Fontane sehr genau, setzt die Liberalisierung des Kunstbetriebs ein: „Der Parnaß ist ein Montserrat, der viele Ansiedelungen in mancherlei Etagen erlaubt". 78 Weiterentwickelt haben diese Frei- h e it, die einmal mehr auch ins Politische zielt, die Präraffaeliten: „An die Stelle des Besonderen und Nationalen tritt mehr und mehr ein gewisser Kosmopolitismus in der Kunst. (...) ein Gesetz der Schönheit, aber in ihm die Mannigfaltigkeit. 79 Daß das „Neue" eo ipso nicht „gut" sei, „muß" Fontane „bestreiten", denn auch das Malen in 'Rätseln' und Stimmungen fordert den Betrachter zum Mitvollzug auf. 80
Einem bekannten Sprichwort zufolge steht das Gold für das Schweigen, auf diese Volksweisheit scheint sich Fontane zu stützen, charakterisiert er die