provinzielle Superintendent Koseleger aus Quaden-Hennersdorf im Stechlin so liebt [VIII, 274], in der eminent preußischen Romanwelt Fontanes auf Schritt und Tritt gegenwärtig ist, ja zunehmend bemerkbarer wird in dem Maße, in dem ihr Autor aufsteigt zum Romancier Preußens par excellence, bis es im letzten Roman dann sogar expressis verbis zentral thematisiert wird. Nicht eine Welt stellen die preußischen Romane dar, obwohl dies natürlich in einem vordergründigen Sinn unbezweifelbar bleibt, sondern zwei - so wie die eben zitierte Poggenpuhls-Stelle über die Zusammensetzung der Sonntagsgesellschaften bei Bartensteins denn auch von „zwei Welten" spricht. Ja, das „Exotische", wie es in Effi Briest genannt wird (z.B. VII,47), gehört geradezu definitorisch zu Fontanes preußischer Gesellschaft hinzu wie das Wasser zum Hafen, der Chinese zu Kessin, der Krakatau zum Stechlin. Ohne Draußen kein Drinnen, ohne Drüben kein Hier.
Und dies nicht allein, weil Fontane gerade in den Jahrzehnten schreibt, als die deutsche Zukunft auf dem Wasser liegt: als das Kaiserreich mit der Energie des Zuspätgekommenen und dem Eifer des Provinzlers sich zur weltweiten Kolonialmacht mausert. Für diese bedenkliche Entwicklung hat Fontane allerdings offene Augen. (Ganz speziell hat man ja die Funktion des Chinesen in Effi Briest mit dieser imperialistischen Sternstunde Preußens in Verbindung gebracht. 3 ) Noch im letzten Lebensjahr, als die Gegenüberstellung von Nah und Fern, Mark Brandenburg und Java den Romancier auf das intensivste beschäftigt, bringt der Zeitungsleser (als der Fontane bekanntlich starb) die Sprache immer wieder auf die weltpolitische Kolonialsituation, etwa am 13. Mai 1898 an James Morris: „Die relative Wertlosigkeit unserer Kolonien sichert uns vor Gefahren und kann höchstens zu einer lärmenden Kanonade von Leitartikeln führen. Es wäre schade, wenn um einer menschenfresserischen Insel im Pacific willen auch nur fünf Füsiliere totgeschossen werden sollten."4 Oder grundsätzlicher an Morris am 6. Januar 1898, wo sich zugleich eine typische Wertung geltend macht:
Die Kanonen und die Gewehre werden immer besser und scheinen die Fortdauer europäischer „Zivilisation im Pizarrostil" vorläufig noch verbürgen zu wollen; aber es geht auch damit auf die Neige, die nichtzivilisierte Welt wird sich ihrer Kraft bewußt werden, und der große Menschheitsauffrischungsprozeß wird seinen Anfang nehmen. Eigentlich sind wir schon in der Sache drin.
Am bedrohtesten ist England, weil es seine Flügel über die Erde hin am weitesten ausgebreitet hat. Überall schwere Gefahr. Aber wie immer, wenn die Gefahren sich mehren, ja, wenn „decay and fall" als Möglichkeiten am Horizonte sichtbar werden, raffen sich die Völker noch mal zu größten Leistungen auf, und so finde ich denn auch die Haltung Englands im gegenwärtigen Augenblicke geradezu bewundernswert. (IV,687).
Das klingt spürbar an eine Stechlin-Stelle an, die kaum aus dem Blauen heraus in den Roman geriet: das Exzentrische wird Zentrum:
Die letzten Entscheidungen, von denen Sie sprechen, liegen heutzutage ganz woanders, und es sind bloß ein paar Ihrer Zeitungen, die nicht müde werden, der Welt das Gegenteil zu versichern. Alles bloße Nachklänge. Das moderne Leben räumt erbarmungslos mit all dem Überkommenen auf. Ob es glückt, ein Nilreich aufzurichten, ob Japan ein England im Stillen Ozean wird, ob China
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