Ritten wir hier statt an diesem langweiligen Kanal, so langweilig und strippengerade wie die Formen und Formeln unsrer Gesellschaft, ich sage, ritten wir hier statt an diesem elenden Graben am Sacramento hin und hätten wir statt der Tegeler Schießstände die Diggings vor uns, so würd ich die Jette freiweg heiraten; ich kann ohne sie nicht leben, sie hat es mir angetan, und ihre Natürlichkeit, Schlichtheit und wirkliche Liebe wiegen mir zehn Komtessen auf. Aber es geht nicht. Ich kann es meinen Eltern nicht antun und mag auch nicht mit siebenundzwanzig aus dem Dienst heraus, um in Texas Cowboy zu werden oder Kellner auf einem Mississippidampfer. (156-157)
Bis ins Wörtliche geht das Echo dieser Einsicht in das unausweichliche Scheitern der Flucht zurück ins Cowboy-Paradies in dem zeitlich benachbarten Roman , Stine, wo das Thema repetiert wird. Der kränkliche junge Graf Haldern verliebt in die kleinbürgerliche Näherin, ist versucht, Hals über Kopf in eine literarisch vermittelte verlockende Feme zu fliehen. „Ich habe nur einfach vor", erklärt er seinem gräflichen Onkel, „mit der Alten Welt Schicht zu machen und drüben ein anderes Leben anzufangen." Für den erfahrenen, auf seine Weise Resignation gewöhnten Lebemann gibt es darauf nur eine Antwort:
Und als Hinterwäldler deine Tage zu beschließen. Umgang mit Chingachgook, alias le gros serpent, und Vermählung deiner ältesten Tochter Komtesse Haldern mit irgendeinem Unkas oder einem Großgroßneffen von Lederstrumpf. Was meinst du dazu? Und wenn nicht Hinterwäldler, so doch Cowboy, und wenn nicht Cowboy, so vielleicht Kellner auf einem Mississippidampfer. Ich gratuliere. Waldemar, ich begreife dich nicht. Ist denn keine Spur von Haldernschem Blut in dir? Ist es denn so leicht, aus einer Welt bestimmter und berechtigter Anschauungen zu scheiden und bei Adam und Eva wieder anzufangen? [...] Aber nicht Amerika. Ja, für die Diggings oder ein Goldgräbercamp ist mir, offen gestanden, auch Stine zu schade. Beiläufig, was Stine von Amerika braucht, ist eine Singersche Nähmaschine. (V,238-239,241)
Und der alte Haldern behält natürlich recht. Der schwächliche Aristokrat wird aus dem Leben gehen: die Kluft zwischen der exotischen Utopie und der konventionsbestimmten Wirklichkeit ist unüberbrückbar. Das Exotische als das ganz andere, Dessous oder Dessus der Gesellschaft, läßt sich auch in der Optik dieses Romans nicht verwirklichen in Preußen. Der ironische Schlußpunkt ist der Hinweis darauf, wie das Fremde allenfalls domestiziert werden kann auf einem märkischen Gut: zum Begräbnis läutet „die Groß-Halderner Glocke, die sie die Türkenglocke nannten, weil sie von Geschützen gegossen war, die Matthias von Haldern aus dem Türkenkriege mit heimgebracht hattet ” (264). Und natürlich läß Fontane sich die Gelegenheit selbst in diesem tragischen Roman nicht nehmen, das Thema Nähe und Ferne am Rande komisch zu relativieren. Die unverwüst- liche Witwe Pittelkow sagt's mit Mutterwitz:h „Und nu will er auch noch nac Amerika! Du mein Gott, was will er da? Da müssen sie scharf ran, un bei sieben Stun- de n in Stichsonne, da fällt er um. Erst heute früh haben sie hier einen vom Bau vorbeigebracht un war noch dazu ein Steinträger mit Schnurrbart und Soldatenmütze, was im mer die Stärksten sind" (249). Dasselbe sagt Stine mit ihrem Ernst und gesundem Menschenverstand: „Du willst nach Amerika, weil es hier nicht geht. Aber