Heft 
(1993) 55
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toiren und ihrem Vertrauen". Und dann wollten sie nach Malta. Nicht um Mal­tas willen, o nein. Aber auf dem Wege dahin sei die Stelle, wo der geheimnisvol­le schwarze Weltteil in Luftbildern und Spiegelungen ein allererstes Mal zu dem in Nebel und Schnee gebornen Hyperboreer spräche. Das sei die Stelle, wo die bilderreiche Fee wohne, die stumme Sirene, die mit dem Zauber ihrer Farbe fast noch verführerischer locke als die singende. Beständig wechselnd seien die Szenen und Gestalten ihrer Laterna magica, und während eben noch ein ermüdeter Zug über den gelben Sand ziehe, dehne sichs plötzlich wie grüne Triften, und unter der schattengebenden Palme säße die Schar der Männer, die Köpfe gebeugt und alle Pfeifen in Brand, und schwarz und braune Mädchen, ihre Flechten gelöst und wie zum Tanze geschürzt, erhüben die Becken und schlügen das Tamburin. Und mitunter sei's, als lach es. Und dann schwieg' es und schwänd es wieder. Und diese Spiegelung aus der geheimnisvollen Ferne, das sei das Ziel!

Und Victoire jubelte, hingerissen von der Lebhaftigkeit seiner Schilderung.

Aber im selben Augenblick überkam es sie bang und düster, und in ihrer Seele rief eine Stimme: Fata Mor gana. (4 98-499)

Jetzt weiß der Leser, daß es einnach der Hochzeit" nicht geben wird. Wieder, doch hier schon recht feinsinnig artikuliert, ist das Exotische die Chiffre der fehlschlagenden Flucht aus den unabdingbaren Gegebenheiten der Gesell­schaft.

Ist das Glück der Flucht immer ein solches der Fata Morgana? Leo in den Poggenpuhls wählt diese exotische Vokabel zum Stichwort der Gegenthese, höchst bescheiden formuliert, aber immerhin:

Ja, Mutter, so muß man auch sein, wenigstens unsereiner. Wer was hat, nun ja, der kann das Leben so nehmen, wie's wirklich ist, der kann das sein, was sie jetzt einen Realisten nennen; wer aber nichts hat, wer immer in einer Wüste Sahara lebt, der kann ohne Fata Morgana mit Palmen und Odalisken und all dergleichen gar nicht existieren. Fata Morgana, sag ich. Wenn es dann, wenn man näher kommt, auch nichts ist, so hat man doch eine Stunde lang gelebt und gehofft und hat wieder Courage gekriegt und watet gemütlich weiter durch den Sand. Und so sind denn die Bilder, die so trügerisch und unwirklich vor uns gaukeln, doch eigentlich ein Glück. (VII,337)

Quitt allenfalls läßt an glückhafte Flucht denken. Sogar um eine Flucht im kon­kreten Sinn handelt es sich hier. Lehnert, der junge Mann im Dorf, der in seiner Sturm-und-Drang-Zeit unentwegt den Außenseiter spielt,in den Kretschams [...] von Freiheit und Republik und dem glücklichen Amerika herumredet", ein Buch Die Neue Welt oder Wo liegt das Glück?" liest undübers Meer" will, weil ihm alles so klein und eng hier" ist, wie imPolizeistaat" im Gegensatz zur Großen Freiheit in den Staaten, wandert schließlich tatsächlich aus nach Amerika, aber nur, weil die Polizei wortwörtlich hinter ihm her ist, und aus gutem Grund (V,278,310,323,324). Er erinnert an Leo von Poggenpuhl:Und ich muß ins Prison oder in die weite Welt" (349), als sei das eine so schlimm wie das andere. Denn alles Gerede von der Freiheit jenseits des großen Wassers war doch nur n "e i

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