Heft 
(1993) 55
Seite
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müßiges Spiel, im Grunde seines Herzens hing er mit Zärtlichkeit an seinem Schlesier­land und dachte gar nicht an Fortgehen, wenn ihm der Boden unter den Füßen nicht zu heiß gemacht würde" (338). In eine Krise gerät sein Selbstbewußtsein, als genau das dann schließlich geschieht, und zwar ironischerweise weil er ein Verbrechen begeht,um nicht in die Welt hinaus zu müssen" (355). Intellektu­ell, vom Reiz des Abenteuers der Selbstfindung her gesehen, also kein authen­tischer Akt - und diese, allzu konkrete Flucht gelingt. Das dürfte Bände sprechen für Fontanes Visierung der uns interessierenden Frage. Nicht nur das: die Flucht gelingt, aber es ist schließlich keine Flucht ins Exotische, obwohl sie Lehnert ins Herz Nordamerikas führt. Lehnert magdrübenin seinem Aufzuge halb einem Cooperschen Trapper und halb einem Bret Harteschen Kalifornier aus den Diggings" gleichen (387); doch nicht nur ist er der schlesische Dörfler geblie­ben: die Welt, in die er kommt, ist, wie gesagt, so deutsch-provinziell, wie sein Dorf nur immer war - lauter Auswanderer und deren Nachkommen mit Heim­weh, Erinnerungen und mangelnder Anpassungsbereitschaft, die das Fremde kaum wahmehmen. Man heißt hier Hornbostel oder Kaulbars und weiß alles Wissenswerte überdie Vierundzwanziger in Ruppinich bin von 'n Glien. Ken­nen Sie den Glien?" (416) Die Ironie der Flucht, die keine existentielle ist, ins Exotische, das kein Fremdes ist, könnte nicht deutlicher sein.

Ebensowenig wird man Rubehn in L'Adultera als Idealfall des Ausbruchs ins Fremde bewerten. Im Gegensatz zu van der Straaten, derzu wenigdraußen war (III, 111), ist Rubehndraußen" in London, Paris und New York gewesen und vielleicht tatsächlich, wie Melanie van der Straaten (der der Topfblumen­verleiher Kagelmann soeben versichert hat:]ott, Frau Rätin, Palme paßt immer ) behauptet,ein paarmal um die Welt gefahren", wo erdie Palmen sozusagen an der Quelle studiert hat" (111,123,187-188). Unter Palmen jedenfalls verführt er, wie gesagt, die Frau Kommerzienrat, die, ihrerseitsägyptische Königstochter (198), sich schon vorher von ihrem Mann, dem Börsianer ohneWeltschliff , sagen lassen muß, sie warte aufeinen indischen Prinzen oder (...) einen Schah von Persi- en (167). In der nicht unaufdringlichen Sprache der literarischen Symbole Fon­tanes hat sie einen solchen also in Rubehn gefunden, und hier ist der Ausflug insExotische", ins gesellschaftlich Unerlaubte, denn doch insofern gelungen und von Dauer, als die beiden nach ihrem Zurück zu Adam und Eva im Para­dies bleiben dürfen: nachFlucht" (201), Scheidung und Heirat leben sie recht und schlecht in Berlin unter den symbolischen Palmen, die in diesen gesell­schaftlichen Breiten sinnigerweise nur imTropenwald" des orchideenbehange- nen Gewächshauses gedeihen. Rubehn und Melanie sind in Fontanes Roman­werk die Ausnahme: im Gegensatz zu allen anderen problematischen Paaren gelingt ihnen tatsächlich ihrGlück", doch es ist entschieden das kleine Glück Wüllersdorfs in Effi Briest (VII,303).

+ hieht Überdeutlich schon ist

Charakteristischer ist sicher, was Effi Briest gesc . , (VII,47), sei es ein ihr Hang zum Exotischen, wie es worthc kaufen will, um sich ins

japanischer Bettschirm, den sie für ihre A «feit Kessins, in die sie

Märchen" hineinzuträumen (31), oder die exo 1 j n Schiffen steht

hineinheiratet. Die Hafenstadt mit den fremden Flaggen an

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