Krippenstapel Kustos an einem märkischen Museum, und Engelke, nun, der müßte gleich selbst hinein, Nummer hundertdreizehn. Deplaciert! Alles bloß Eitelkeit und Größenwahn. (193)
Diese Rede ist sozusagen ein Stichwort für das geheime Thema des Romans — die wechselseitige Relativierung von Weltkenntnis und Provinzialität, beide in Anführungszeichen zu denken. Allerlei Vignetten bestätigen es arabeskenhaft am Rand. 18
Indirekt ist dieser thematische Fokus eine Antwort Fontanes an den zum Thema zitierten Goethe, der meinte, unter Wilden verwildere die Gesinnung. Für Fontane ist gerade die Verbindung des an sich schon fremden Englands mit der fernen Welt der Kolonien ein besonderer, eben exotischer Reiz. So betont er, daß die Barbyschen Damen, die ihres Vaters „Vorliebe für England und englisches Leben" teilen (131), sozusagen auch in Indien zu Hause sind, „woher aller gute Geschmack kommt, alle alte Kultur" und (da Fontane nicht gern feierlich wird) „alle Shawls und Teppiche, Buddha und die weißen Elefanten" (119). War einleitend von den beiden extremen Seiten des „Exotischen" die Rede, so zeigt sich hier, wie sie zusammengehören als zwei Seiten des „Draußen". In die gleiche Richtung weist Czakos doppelte Sehnsucht nach der weiten Welt: „Mittelafrika, links die Zwerge, rechts die Menschenfresser" und St. Petersburg (226). Zum „großen Zusammenhang der Dinge" (288) gehört auch der Zusammenhang von primitiv und hochzivilisiert - beide fern und beide nah, beide „draußen" und „zu Hause".
Was Fontane mit der Thematisierung des „Exotischen" im „Preußischen" sagt, ist unmißverständlich. Man kann es auch feierlicher sagen, besonders im Deutschen. Daß Fontane das nicht tut, ist der Beweis des Geistes und der Kraft oder vielmehr der Anmut, daß er „draußen" war - aber als einer, dem das Draußen nur zum Bewußtsein brachte, was ohnehin schon „drinnen" war.
Anmerkungen
1 Man werde Fontane „nur noch aus historischen und städtekundlichen Gründen lesen": Stuttgarter Ausgabe, IV, 1989, S. 344.
2 Romane und Erzählungen, Aufbau-Verlag, 1969, VIII, S. 271. Im folgenden beziehen sich Band- und Seitenverweise auf diese Ausgabe.
3 Peter Utz, „Effi Briest, der Chinese und der Imperialismus: Eine 'Geschichte' im geschichtlichen Kontext", Zeitschr. f. dt. Philologie, CIII (1984) S. 212-225.
4 HFA, Abtlg. 4, IV, S. 717. Im folgenden werden Briefzitate mit Band- und Seitenzahl der 4. Abtlg. dieser Ausgabe nachgewiesen.
5 Vgl. Exotische Welten/Europäische Phantasien, Ausstellung des Instituts für Auslandsbeziehungen und des württembergischen Kunstvereins, hg.v. Hermann Pollig, Edition Cantz, 1987, bes. s. 345-361.
6 Ingrid Schuster, „Exotik als Chiffre: Zum Chinesen in Effi Briest", Wirkendes Wort, 1983, S. 115-125.
7 Fritz Behrend, Aus Fontanes Werkstatt, Berlin 1924, S. 32, 38.
8 Nicht zu erfassen ist diese Bedeutung durch eine Themenstellung wie „Fontane und