Heft 
(1993) 55
Seite
117
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Schauen wir uns den mittleren Teil des Briefes genauer an.

-Ist auch nicht nöthig." - d.h., Fontane negiert seinen Wunsch, einen Erfolg die­ses Buches und somit auch seinen persönlichen Erfolg sehen zu wollen.

-Man muß es nehmen, wie's fällt." Diese abwartende Haltung spiegelt die Situa­tion: Noch ist nichts entschieden, noch haben Kritiker und Publikum nicht gesprochen.

-Und vielleicht hat man ja auch Unrecht." Hier hört man ganz deutlich den Wunsch heraus, daß sich seine Zweifel als ungerechtfertigt erweisen mögen. Aber der kurze Satz der Hoffnung steht inmitten der Zweifel, sozusagen vom Negativen umzingelt:

-Aber ich glaub es nicht." Fontane demonstriert hier eine auffällig verneinende Haltung, weil er Angst hat, sich eingestehen zu müssen, daß er - wieder einmal

- im Publikumsgeschmack durchgefallen ist, von dem er, nach eigener briefli­cher Aussage, doch gar nicht viel hält, und von dem er schon erst recht nicht abhängig sei. Daß Fontane aber in einer bestimmten Form von dieser Anerken­nung abhängig war, beweisen durchgängig die Briefe, in denen er sich über sein Werk äußert und die auch durch die Aussagen seines Tagebuchs unter­stützt werden.

Wenn wir die äußere Form dieser Briefpassage betrachten, so fällt auf, daß Fon­tane seine Befürchtungen in einem relativ langen Satz formuliert. Diesem Satz folgen dann in assoziativer Folge seine Gedanken in knapper Form, nämlich in vier kurzen Sätzen. Da Fontane hier kürzere Sätze bevorzugt, zeigt uns diese Briefpassage deutlich, daß es sich um einen Gedankengang handelt, der uns hier vor Augen geführt wird, einen Gedankengang, den Fontane brieflich nie­dergelegt hat. Gehen wir nun auf den Beziehungsaspekt ein und betrachten den Adressaten, an den sich der oben zitierte Brief richtet. Es ist Georg Fried- laender, Amtsgerichtsrat in Schmiedeberg (Riesengebirge), ein langjähriger und geschätzter Korrespondenzpartner Fontanes. Friedlaender war mehr als einmal Partner für die Diskussion schwieriger Situationen gewesen. Er erhält im Vergleich zu anderen Adressaten Fontanes oft - auf ein Werk bezogen - die meisten Briefe. So z.B. bei Unterm Birnbaum, Stine, Quitt, Von, vor und nach der Reise, Effi Briest, Die Poggenpuhls und Der Stechlin.

Die Briefe an Friedlaender haben zu Recht bei ihrem Erscheinen für Furore gesorgt, denn hier zeigte sich zum ersten Mal, daß wir es bei Fontane nicht nur mit dem heiteren, gutmütigen und über allen Quisquilien mit heiterem Lächeln Stehenden zu tun haben. Bittere Töne, handfeste Ironie und Kritik lesen wir in diesen Briefen. Gerade in einem Brief an Friedlaender können wir alsooffene Töne erwarten. Es stellt sich die Frage, warum Fontane in diesem Brief diese sprachliche Form, dieses Abschwächen einer Aussage, verwendete. In der R e gel geht man davon aus, daß der Sinn von Abschwächung die Bedeutung desSich-Vergewisserns" des Gegenübers trägt. Es liegt im Bereich des Mögli­chen, daß Fontane - in diesem Fall von Friedlaender - die Anerkennung seiner literarischen Qualitäten hören wollte, die er vom breiten Publikum vermißte. Vielleicht verarbeitete Fontane unbewußt seine Trauer über die vermeintliche Nicht-Anerkennung durch seine verneinende Haltung. Man darf aber nicht