einen Beitrag zur Beförderung des Goethe-Kults leisteten. Und obwohl Fontane alles andere als ein Weimar-Pilger war, zählte er die Stadt, zusammen mit Bayreuth, München und - Oberammergau, zu den „ Plätzen, daran man sich erfreuen kann", weil sie das „außerpreußische Deutschland" symbolisieren.
Ungeachtet seiner Ablehnung jeglichen Goethe-Kultes stand auch Fontane, trotz mancher kritischer, mitunter respektloser Bemerkungen über einzelne Goethesche Werke, unter dem Einfluß dieses Dichters, und er war sich dessen durchaus bewußt. „Wir sind in einem Goethebann", schrieb er, ebenfalls im Jahre 1896, freilich mit dem Zusatz: „und müssen draus heraus". Ein solcher Ausbruch konnte nur schwer und niemals vollständig gelingen. Ursache dafür war die bald nach Goethes Tod beginnende Kanonisierung der Weimarer Klassik, besonders Goethes und Schillers, in der deutschen Literaturgeschichtsschreibung und später auch an den Schulen des Deutschen Reiches. Sie war eine Voraussetzung für die Entstehung jenes spezifischen Goethe-Kultes. Fontanes Eingeständnis seines „Jugendglaubens an eine gradlinige Abstammung von Schiller und Goethe" läßt deutlich erkennen, daß die Werke dieser beiden, und keine anderen neben ihnen, als Maßstäbe und unerreichbare Muster galten. Kleist, Hölderlin oder Jean Paul, die deutschen Romantiker, Heine und Büchner rückten in den Hintergrund, zum Teil sogar an die äußerste Peripherie, und die zeitgenössischen Autoren mußten sich a priori - nach einem von Theodor Storm in selbstkritischer Absicht geprägten Ausdruck - mit einer „Seitenloge" begnügen, solange Goethe und Schiller im Proszenium saßen, nein: standen, in der Pose, die ihnen Ernst Rietschel mit seiner Doppelstatue gegeben hat.
Als Fontane 1853 mit einem Aufsatz über „Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848" als Kritiker debütierte, begann er mit diesen programmatischen Sätzen: «Es gibt neunmalweise Leute in Deutschland, die mit dem letzten Goetheschen Papierschnitzel unsere Literatur für geschlossen erklären. Forscht man näher nach bei ihnen, so teilen sie einem vertraulich mit, daß sie eine neue Blüte derselben überhaupt für unwahrscheinlich halten, am wenigsten aber auch nur die kleinsten Keime dazu in den Hervorbringungen der letzten zwanzig Jahre gewahren könnten. Wir kennen dies Lied. Die goldenen Zeiten sind immer vergangene gewesen... Was unsere Zeit nach ollen Seiten hin charakterisiert, das ist ihr Realismus." Und um für diese Moderne Stilrichtung eine Lanze brechen zu können, mußte er sie in die Tradition der deutschen Klassik stellen: „Beide, Goethe wie Schiller, waren e ntschiedene Vertreter des Realismus, solange sie, 'unangekränkelt von der Blässe des Gedankens', lediglich aus einem vollen Dichterherzen heraus ihre Werke schufen.
Die Kanonisierung der Weimarer Klassik hat den Berliner Kritiker des "Goethegötzenkultus" überlebt. Sie hatte ihren Nährboden nicht nur im Bildungsbürgertum, sondern auch in den kulturell interessierten Teilen der Arbeiterklasse und wurde in der deutschen Arbeiterbewegung systematisch kultiviert. Die Nachwirkungen lassen sich deutlich in der Kulturpolitik der DDR
beobachten.
Der Widerspruch zwischen dem Klassik- und besonders dem " Goethe-„Bann und dem Streben, sich daraus zu befreien, ist vielleicht nirgends treffender beschrieben worden als in jenem Brief, den Fontane im Mai 1868 an Storm gerichtet hat. Von Thale und seiner „Harzesstille" aus, wohin er nur wenige Bücher mitgenommen hatte, darunter Storms Gedichte, wollte er dem Autor