„endlich mal den Zoll schuldigster Dankbarkeit" entrichten, denn Storm sei und bleibe sein „Lieblingsdichter". Und er fügte diese Betrachtungen hinzu: „Je älter ich werde, je mehr überzeug ich mich, daß ebenso fein nuancirt wie die Begabungen der Producirenden auch die Geschmacksbedürfnisse der Genießenden sind und daß die sogenannten großen Poeten die Bedürfnisse gewisser Naturen durchaus nicht decken. Damit ist durchaus nichts gegen die Großen gesagt; sie bleiben die Großen; Bürger ist kein Schiller, Heine ist kein Goethe, Storm ist kein Wieland und doch decken Bürger-Heine-Storm mein Herzensbedürfniß unendlich mehr als das große Dreigestirn."
Daß Kanonisierung der lebendigen Fortwirkung großer Kunst der Vergangenheit eher schadet als nützt, daß nur ein historisch-kritischer Umgang mit ihr, der Patina nicht zu einem Attribut „ewiger Werte" stilisiert, ihr Weiterleben ermöglicht: das veranschaulicht Fontanes unfreiwilliges Verhaftetsein im „Goethebann" ebenso wie seine Attacken gegen einen „Goethegötzenkultus".
Die Miszelle ist Bestandteil einer (noch in Arbeit befindlichen) Reihe von Aufsätzen, die das Verhält- nis bekannter deutscher und ausländischer Schriftsteller des 19. und 20. Jahrhunderts zur Weimarer Klassik thematisieren und damit zugleich einen Beitrag leisten zur Geschichte der Kanonisierung der Werke Goethes und Schillers im deutschen Bildungswesen und im Kulturbetrieb.
Auf den Nachweis der (leicht auffindbaren) Zitate wurde verzichtet. Für die Beschreibung des Weimar-Besuchs von Theodor Fontane habe ich Sonja Wüstens Arbeit über Fontanes “Reisen in Thüringen“ (Fontane-Blätter, Sonderheft 3,1973) dankbar benutzt.
P. G.
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