Roman porträtierten Exponenten des Vierten Stands und der Sozialdemokratie, alle, wie die meisten Adelsvertreter auch, lächerliche Gestalten.
48 Vgl. die "ernste" Interpretation dieser Szene z.B. bei Vincent J. Günther (siehe Anm. 3), S. 101f., oder bei Manfred Allenhöfer (siehe Anm. 4), S. 122f. Obwohl Walter Müller-Seidel bereits auf die "Komik" des Romans und ihre Funktion zur gesellschaftskritischen Zeichnung hingewiesen hat (siehe Anm. 15, S. 430), ist der humoristische Charakter von Fontanes letztem Roman bisher nur von wenigen Interpretatoren berücksichtigt worden. Leider kann auch in vorliegendem Aufsatz nicht ausführlich darauf eingegangen werden. Vor allem die fast satirische Zeichnung der Adelsvertreter würde eine detaillierte Untersuchung lohnen.
49 Vgl. z.B. Eda Sagarra: Symbolik... (siehe Anm. 6), S. 536; oder, etwas differenzierter, Manfred Allenhöfer (siehe Anm. 4), S. 88.
Elisabeth Hoffmann, Düsseldorf
Annie von Innstetten - noch eine Nebenfigur in Fontanes Effi Briest.
Zur Dekonstruktion einer Schlüsselszene des Romans
Für die umfangreiche, weniger vom Autor selbst als von Lesern und Interpreten erstellte Anklageschrift gegen den Baron von Innstetten 1 ) hat Effis Aufschrei der Empörung nach dem mißglückten Besuch ihrer Tochter Annie in der Königgrätzer Straße vermutlich entscheidendes und auf den ersten Blick überzeugendes Beweismaterial geliefert. 2 ) Weil Effis fulminante Anklage so ungemein suggestiv wirkt, ist man geneigt, ihren Aussagen Glauben zu schenken. Doch gleichzeitig erlaubt deren Präsentation in der Art eines rhetorisch durchgearbeiteten Bühnenmonologs 3 ) dem Leser die Distanznahme für kritisches Nachfragen. So wäre darüber nachzudenken, wie stichhaltig Effis Beschuldigungen gegen Innstetten eigentlich sind. Die entscheidenden Passagen dieser Anklage seien daher zitiert:
"Denn das hier, mit dem Kind, das bist nicht du, Gott, der mich strafen will, das ist er, bloß er! Ich habe geglaubt, daß er ein edles Herz habe und habe mich immer klein neben ihm gefühlt; aber jetzt weiß ich, daß e r es ist, er ist klein. Und weil er klein ist, ist er grausam. Alles, was klein ist, ist grausam. Das hat er dem Kinde beigebracht, ein Schulmeister war er immer. Crampas hat ihn so genannt, spöttisch damals, aber er hat recht gehabt. 'O gewiß, wenn ich darf.' Du brauchst nicht zu dürfen; ich will euch nicht mehr, ich haß' euch, auch mein eigen Kind. (...) Und nun schickt er mir das Kind, weil er einer Ministerin nichts abschlagen kann, und ehe er das Kind schickt, richtet er’s ab wie einen Papagei und bringt ihm die Phrase bei 'wenn ich darf"' 4 )