Unterschiede in der erstgenannten Aufgabe dagegen bedienen das Klischee, dass Mädchen ordentlicher und genauer sind, und dass Zeichnen eher eine Tätigkeit ist, die Mädchen gern ausüben. Ob derartige Unterschiede auch bei weiteren ähnlich gearteten Aufgaben bestätigt werden können, bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten.
Die Jungen zeigten bei Aufgabe 1(Ziffer 5 erkennen; 93,7% richtiger Lösungen gegenüber 86,3% bei den Mädchen), bei Aufgabe 9(Volumenvergleich Wasserflaschen; 58% richtiger Lösungen gegenüber 52,4%), bei Aufgabe 10( Längenvergleich Bleistifte; 95,2% gegenüber 85,8%), bei Aufgabe 15(Anzahl der Würfel in zwei Würfeltürmen vergleichen; 28,3% gegenüber 21,9%)und bei Aufgabe 19(Verdoppeln; 39,4% gegenüber 27,16%) bessere Leistungen. Für den doch recht großen Unterschied beim Vergleich von Längen(Aufgabe 10) haben wir keine Erklärung und auch der recht große Unterschied bei der Lösung der Aufgabe 19 (Verdoppeln) gibt uns eher Fragen auf. Verbinden die Jungen das Verdoppeln von Beginn an schon mit der Addition zweier gleicher Summanden bzw. mit der Multiplikation mit 2 und haben auf diese Weise die 8 berechnet und dann entsprechend die Kästchen angemalt? Das ist eine mögliche Hypothese, die zu prüfen wäre. Eine andere Möglichkeit ist, nach subjektiven Erfahrungsbereichen zu suchen, in denen Jungen eher Vorstellungen zum Verdoppeln aufbauen als Mädchen. Der Vorsprung der Jungen bei der Lösung der Aufgabe 15 entspricht der Vorstellung, dass Jungen eher mit Bausteinen spielen als Mädchen und sich ihr Raumvorstellungsvermögen(bezogen auf diesen Bereich) demzufolge besser entwickeln kann; auch hier wird offensichtlich ein ganz spezifischer subjektiver Erfahrungsbereich aufgebaut.
Wie sieht es nun demgegenüber mit den von den Lehrkräften erwarteten Unterschieden aus? Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen werden nur von wenigen Lehrkräften angenommen. Wenn sie vorkommen, gibt es in vielen Fällen sowohl Lehrerinnen, die meinen, dass die Jungen besser abschneiden, als auch Lehrerinnen, die das von den Mädchen annehmen.
Vergleicht man die oben aufgeführten Unterschiede in den Leistungen von Jungen und Mädchen mit den Erwartungen der Lehrkräfte bezüglich unterschiedlicher Leistungen von Jungen und Mädchen bei den einzelnen Aufgaben, so kann man feststellen, dass bei der Aufgabe 12 auch eher bessere Leistungen der Mädchen(17,9%) als der Jungen(10,7%) auftraten. Bei der Aufgabe 16 erwarteten die Lehrkräfte allerdings eher einen Vorteil zugunsten der Jungen (14,8% zu 11,1%).
Bei den Aufgaben, die tendenziell besser von den Jungen gelöst wurden, zeigte sich dies auch (mit Ausnahme der Aufgabe 10, bei der genauso oft erwartetet wurde, dass die Jungen besser sind bzw. dass die Mädchen besser sind) in den Erwartungen der Lehrkräfte(vgl. Tabelle Seite 44). Bei den Aufgaben 3(Rakete; Rückwärtszählen) und 13(Dartspiel, 3+4) wurden von deutlich mehr Lehrkräften bessere Leistungen von den Jungen erwartet, was sich in den real gezeigten Leistungen aber nicht wiederfand.
Die angenommenen Leistungsunterschiede werden im Wesentlichen darauf zurückgeführt, dass Mädchen sorgfältiger sind. Über 77% der Lehrkräfte meinen, dass diese Aussage eher zutrifft und nicht einmal 3% lehnen sie generell ab.
Immerhin 30% der Lehrerinnen und Lehrer meinen, dass neu, noch nicht ım Unterricht behandelte Aufgaben eher von Jungen als von Mädchen bewältigt werden, und ein Viertel stimmt der Aussage zu, dass Jungen besser logisch denken können als Mädchen. Die Lehrkräfte offenbaren hier also recht stereotype Vorstellungen von den Geschlechterrollen, obwohl andererseits die Mehrheit(88%) der Lehrerinnen und Lehrer nicht der Meinung sind, dass Jungen im Mathematikunterricht generell und auch schon in der Grundschule besser sind als Mädchen. Dass von Jungen bessere Ideen kommen, wird sogar von 90% abgelehnt.
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