Teil eines Werkes 
Teil 1 (2002) Kinderleistungen - Lehrererwartungen
Entstehung
Seite
58
Einzelbild herunterladen

Ein Lehrer aus Berlin gibt an, dass er immer Montessori-Material zur Unterrichtsvorbereitung nutzt, obwohl dies nicht als Antwortkategorie vorgesehen war.

Die Dominanz der eigenen Erfahrungen der Lehrerinnen und Lehrer sowie der häufige Ein­satz der Schulbücher zur Vorbereitung des Mathematikunterrichtes ist eine hoch einzuschät­zende Potenz für die Gestaltung eines guten Unterrichtes. Dabei sehen wir jedoch ein Prob­lem, das in den statistischen Erhebungen nicht sichtbar wird: Viele Lehrbücher sind total ver­altet, wobei die Gründe für fehlende moderne Unterrichtsmedien in der gegenwärtigen finan­ziellen Situation zu suchen sind. Wenn diese Bücher dann nicht als Aufgabensammlung, son­dern zur Realisierung des alten traditionellen kleinschrittigen Unterrichtskonzeptes genutzt werden, sehen wir darin im Hinblick auf eine Veränderung von Unterricht zu Gunsten einer aktiv-entdeckenden Prozessgestaltung kein Vorankommen in der momentan oft kritisierten Unterrichtslandschaft(zu dieser Kritik siehe z.B. die PISA-Studie).

Erfassen Sie regelmäßig zu noch nicht behandelten Stoffgebieten den Wissensstand und die mathematischen Kompetenzen(Vorkenntnisse) aller Kinder Ihrer Klasse?

Von den befragten Lehrerinnen und Lehrern geben 35% an, immer zu Beginn des Schuljahres den Wissensstand und die mathematischen Kompetenzen aller Kinder ihrer Klasse zu noch nicht behandelten Stoffgebieten zu erfassen. Weitere 41% tun dies zu Schuljahresbeginn nur, wenn sie eine Klasse neu übernehmen. Nur 7% der Lehrkräfte geben an, dass sie es nur manchmal oder selten tun. Allerdings erfassen 20% der Lehrerinnen und Lehrer die Vor­kenntnisse der Kinder überhaupt nicht, da sie der Meinung sind, dass diese im Laufe des Un­terrichtes deutlich werden.

Dieses sehr positive Ergebnis ist um so erstaunlicher, da die bisherigen Erfahrungen zur Er­fassung der mathematischen Kompetenz aller Kinder im Praktikum mit Studierenden zu einer völlig entgegengesetzten Meinung führten. Es wäre deshalb wichtig, die Reflexionsfähigkeit der Studierenden zu hinterfragen, um hier ein tatsächliches Bild vom Stand der Erfassungs­möglichkeiten zu bekommen. Es kann aber auch sein, dass wir in den Antworten der Lehre­rinnen und Lehrer ein verzerrtes Bild finden, weil die Lehrkräfte das Ziel unseres For­schungsvorhabens kannten.

Dass sie immer vor Einführung einer neuen Thematik die Vorkenntnisse der Schülerinnen und Schüler ihrer Klasse erfassen, behauptet genau ein Drittel der Lehrkräfte unserer Stich­probe. Häufig tun es 22% und 16% manchmal. Niemand gibt an, dass er sie nur selten vor Einführung einer neuen Thematik erfasst. Eine Lehrerin verlässt sich im Unterricht auf ihre Erfahrungen der vergangenen Schuljahre und fühlt sich damit in der Lage, die mathematische Kompetenz ihrer Schülerinnen und Schüler ausreichend einzuschätzen.

Wie erfassen Sie die Vorkenntnisse Ihrer Schüler?

Von den 54 Lehrkräften äußerten sich 43 zu dieser offenen Frage. Das sind 80%, wobei zwei Lehrkräfte jedoch nur auf das Itemdie Vorkenntnisse werden im Verlauf des Unterrichts sichtbar verweisen(Frage VII k). Die meisten Lehrerinnen und Lehrer nennen jeweils meh­rere Möglichkeiten, wenige auch nur eine einzige. Eine Lehrerin schreibt nurAnalysen, ohne dass klar wird, was damit gemeint ist, während z.B. andere Lehrerinnen sehr ausführli­che bzw. detaillierte Angaben machen:

e‚Offene Aufgabenstellungen bei denen ein individueller Zugang möglich ist, der ei­nen Einblick in die Vorkenntnisse der Schüler ermöglicht(schriftlich); mündlich: ‚Ge­spräche über Aufgaben bzw. Lösungswege erklären lassen; Schülerbeobachtung wäh­rend freier Arbeitsphasen.

58