Teil eines Werkes 
Teil 1 (2002) Kinderleistungen - Lehrererwartungen
Entstehung
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Ein schwacher Zusammenhang ist zwischen der Meinung, die Lehrkräfte zur Rolle des Ler­ners haben, und ihrer Meinung über die veränderten Kinder festzustellen(rs= 0,32, p< 0,05). Lehrkräfte, die meinen, dass Kinder Anleitung brauchen, sehen auch eher negative Verände­rungen bei den Kindern. Dies wird verständlich werden, wenn wir die Eigenschaften dieser Lehrkräfte detaillierter betrachten(s. Seite 65).

Die Meinung, die Lehrerinnen und Lehrer zur Rolle des Lerners im Mathematikunterricht haben, korreliert auch mit Informationen, die in anderen Teilen des Fragebogens erhoben wurden. Folgende Aussagen sind statistisch bedeutsam:

# Je eher eine Lehrkraft der Meinung ist, dass die Kinder keine eigenen Lösungs­wege finden können, also Anleitung brauchen, desto eher fühlt sie sich durch den Unterricht belastet(rs= 0,31, p< 0,05). Dies legt den Schluss nahe, dass ein Un­terricht, bei dem die Schülerinnen und Schüler kleinschrittig angeleitet werden, für Lehrkräfte anstrengender ist. In einem offeneren Unterricht hätten die Lehr­kräfte dann eher Kapazitäten frei, um z.B. erzieherische Aufgaben wahrzunehmen oder einzelne Kinder zu fördern.

® Lehrkräfte, die der Meinung sind, dass sie Vorkenntnisse nicht erfassen müssen, weil sie im Unterricht sichtbar werden, sind eher der Meinung, dass die Kinder Anleitung brauchen(rs=-0,39, p< 0,01). Das Erfassen von Vorkenntnissen zieht natürlicherweise eine differenzierte Unterrichtsgestaltung nach sich, so dass sich die Anleitung durch die Lehrerin bzw. durch den Lehrer von selbst verbietet. Feh­lende detaillierte Kenntnisse über das Wissen und Können der einzelnen Schüle­rinnen und Schüler lässt u.M.n. nur einestraffe Anleitung und ein gemeinsames Voranschreiten zu. Wenn die Lehrkraft durch eine fehlende Analyse der Aus­gangssituation keine detaillierte Kenntnis über Kinder hat, die den neu zu behan­delnden Stoff ganz, in Teilen oder gar nicht bewältigen können, muss dies dazu führen, allen Kindern den Stoff in der gleichenPortion zu vermitteln und ihnen somit die Fähigkeit, einen eigenen Lösungsweg zu finden, abzusprechen.

® Je mehr eine Lehrkraft der Meinung ist, dass es vom Sachzusammenhang ab­hängt, ob Jungen oder Mädchen beim Lösen von Sachaufgaben besser sind, desto eher ist sie der Meinung, dass die Kinder am besten durch Anleitung lernen(rs= 0,37, p< 0,01). Hier vermuten wir eine ArtÜberbehütung oder einfach eine Unterschätzung der Schülerinnen und Schüler durch die Lehrerinnen und Lehrer (vgl. dazu die Lehrereinschätzung der Kompetenz der Schüler vor Beginn unserer Tests). Die Lehrerinnen und Lehrer empfinden das zusätzliche Einbeziehen von Sachinformationen in den mathematischen Kontext als Erhöhung des Schwierig­keitsgrades und kommen dadurch zu der Auffassung, den Unterrichtsprozess des­halb mehr steuern zu müssen, als es bei der Bearbeitung formaler mathematischer Aufgaben notwendig wäre.

Die Split-Half-Reliabilität(nach Guttman) der Skala liegt bei 0,82. Cronbachs Alpha, das Auskunft darüber gibt, wie gut sich die Antworten zu einer Gesamttendenz zusammenfügen, ist mit 0,76 befriedigend, entspricht aber dem, was Staub und Stern(2000, S. 16) bei ihrer Untersuchung fanden'. Es gehen also nicht nur die Meinungen der einzelnen Lehrkräfte stark auseinander, sondern auch die Einschätzungen der einzelnen Lehrkräfte zu den verschiedenen Aussagen. Das lässt sich damit erklären, dass verschiedene Aussagenkomplexe miteinander

'' Staub und Stern(2000, S. 16) geben an, dass sie für die einzelnen Skalen ihres Fragebogens Werte von 0,63 bis 0,87 für Cronbachs Alpha gefunden haben, führen aber nicht aus, welche Werte für welche Skalen gefunde wurden.|

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