Teil eines Werkes 
Bd. 2 (1910) Die Geschichte / von Gustav Albrecht ...
Entstehung
Seite
456
Einzelbild herunterladen

selbst der Hof seinen Bedarf an feinem Tuch wie an Seidenstoffen und Samten aus den Niederlanden, ausAugsburg,Nürnberg,Frankfurt a.Nk. und Hamburg. EinVorfchlag eines Georg Scholl, den dieser dem Kurfürsten Joachim II. unterbreitete, ist bezeich­nend dafür, daß von Kennern die Erzeugnisse des Auslandes für besser gehalten wurden. Er bat darum, ihn mit je 60 Pfund Wolle aus der Ackermark, der Neu­mark und der Mittelmark nach England zu entsenden, um dort allerlei Sachen an­fertigen zu lassen. Sollten diese besser befunden werden, dann machte er sich an­heischig, etliche sachverständige Leute in England anzuwerben,um dergleichen Nah­rung auch in brandenburgischen Ländern" einzurichten. Ob dem Vorschläge Folge geleistet wurde, sagt die Quelle nicht; aber es wird betont, daß am Schlüsse des s6. Jahrhunderts bessere englische Wolle über Hamburg bezogen worden sei.

Nach der furchtbaren Zerrüttung, die der Dreißigjährige Krieg über die Mark brachte, knüpfte sich ein Aufblühen der Textilgewerbe erst wieder an die Tätigkeit des Großen Kurfürsten. Seine Verordnungen gegen den Zwischenhandel in Rohpro­dukten, die allein von den Landleuten zu Nkarkte gebracht werden durften, waren für die Zeit von Vorteil, haben sich für die Dauer indessen weniger bewährt als die Ver­änderungen der Zunftordnung, durch die zuerst in Deutschland ein Anfang zur un­erläßlichen Neugestaltung des Gewerbewesens gemacht wurde. Die freiere Auffas­sung der Aufgaben und Wirksamkeit der Zünfte fand allerdings nicht die Anerkennung bei der Tuchmacherinnung, trotzdem der Kurfürst zur weiteren Hebung des Gewerbes f657 den Meistern auch den Gewandfchnitt fremden Tuches gestattete, Wollspeicher auf Staatskosten und Spinnschulen errichtete. Man machte ihm im Gegenteil die Ausführung seiner Absichten ziemlich schwer und feindete die Fremden an, die er in das Land zog. Die Schlesier, Pfälzer, Holländer und französischen Hugenotten brachten in der Textilindustrie eine überlegene Technik mit und nötigten die einge­borenen Meister zu gleicher Kräfteanspannung. Unter den bis föstO in Berlin schon vorhandenen 43 Gewerbezweigen, stand das Textilgewerbe in erster Reihe. Ein be­deutungsvoller Umschwung wurde, von Berlin ausgehend-, dadurch eingeleitet, daß hier der Grund zu neuen Formen der Haus- und Fabrikindustrie gelegt wurde. Denn es erwies sich bald untunlich, die namentlich von den französischen Refugi6s eingeführten Zweige des Textilgewerbes in das Schema der Zunft zu bringen. Um den Abstand zwischen der alten und neuen Organisation zu vermindern, schritt der Kurfürst zu einer allgemeinen Revision der brandenburgischen Gewerbe, die zur Folge hatte, daß man den neuen, mit eigener Kommunalverwaltung versehenen Städten Friedrichswerder und Dorotheenstadt auch freiere Zunftordnungen erteilte und be­stimmte, daß die Meisterrechte der einen auch für andere der Berliner Teilstädte gelten sollten. Diese, eine einheitliche Zunftverfassung vorbereitende Reform von s688 sollte der Kurfürst in ihren wohltätigen Folgen ebensowenig erleben, wie das unter feinem Nachfolger eintretende Aufblühen der Gewerbe selbst.

Die ersten Jahre Friedrichs III-, des späteren Königs Friedrichs I-, brachten dem Textilgewerbe in der Tat den vorausgesehenen Aufschwung in einigen, durch die Kolonisten eingeführten Zweigen, während die alte Fabrikation sich durch die Wolleinfuhrverbote auf die Anfertigung grober Tuche beschränkt sah. Schon f687