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herigen Vergünstigungen aufgehoben; damit schwand der Anreiz für die Anpflanzung des Maulbeerbaumes. Heute gibt es nur vereinzelte Leidenraupenzüchter.
König Friedrich Wilhelm I. begann seine Regierung mit der Einrichtung einer staatlichen Wollmanufaktur in den Räumen des Berliner Lagerhauses. Es war das der Anfang zu einer im Laufe der Zeit sich immer mehr verschärfenden Bevormundung, obwohl mit der Einrichtung ursprünglich nur beabsichtigt war, den aus der Fremde herbeigezogenen Tuchmachern Arbeit und den einheimischen ein Vorbild zu geben; allein, um die Fabrikation aufrechtzuerhalten, sah man sich gezwungen, den Kaufleuten den Bezug aus dem Lagerhause oder anderen Quellen vorzuschreiben. Den königlichen Bediensteten wurden nur inländische Tuche zu tragen erlaubt. Die Einfuhr ausländischer Wolle, selbst solcher, die wie die feine spanische im Inlande nicht erzeugt werden konnte, wurde untersagt, zugleich aber das bestehende Ausfuhrverbot der inländischen Wolle aufrechterhalten. Namentlich wurde das Edikt von l72f, das den Verkauf und die Einfuhr von Kattun verbot, streng durchgeführt. Schonungslos wurde konfisziert und vernichtet, selbst Kleider, Möbelüberzüge, Bett- umhänge u. a., was gegen die Verordnungen verstieß. Trotzdem wollte sich keines der neuen Textilgewerbe so recht entwickeln, selbst die Leidenindustrie nicht, die noch immer auf den Bezug ausländischer, mit hohem Zoll belegter Rohseide angewiesen blieb. Nur die Tuchausfuhr belebte sich eine zeitlang durch die Erfolge einer j725 in Berlin auf zwölf Jahre konzessionierten „Russischen Tuchkompanie". Wir besitzen Zeugnisse für die Stimmung des Königs in seinen letzten Lebensjahren, seinen Verdruß über den Fehlschlag in Luckenwalde, von dem noch zu berichten sein wird, und seine verspätete Einsicht über die Wirkung des Einfuhrverbotes ausländischer Wolle. Zu solchen Zeugnissen gehörte auch die überraschende Konzessionierung einer Spinnerei spanischer Wolle in Berlin. Gleichwohl ist der mittelbare Nutzen nicht hoch genug anzuschlagen, den das Handwerk durch die Ansiedlung betriebsamer Ausländer erfuhr.
Als ihren eigentlichen Schöpfer muß die große Berliner Textilindustrie aber Friedrich II. betrachten. Obgleich er die volkswirtschaftlichen Grundsätze seines Vaters anerkannte, suchte er doch ihre schädlichen Auswüchse zu hemmen. Als eine seiner ersten Regierungshandlungen hob er das Verbot der Baumwollwaren auf und beseitigte den Zoll auf Rohseide. Während er das Wollausfuhrverbot streng und das Einfuhrverbot der Wolle etwas gemildert aufrechterhielt, verkannte er nicht einen Augenblick, daß die inländische Wollerzeugung quantitativ und qualitativ sich heben müsse. Daher ließ er während seiner Regierungszeit in immer steigenderem Maße Zuchtvieh aus den besten spanischen Merinoherden beziehen, und noch wenige Stunden vor seinem Tode verordnete er, daß von den mit Angeduld erwarteten 300 spanischen Widdern „einige nach Sanssouci kommen sollten". Durch die Erlaubnis zur Anlage einer Kattundruckerei s?4:0, sowie von Baumwollspinnereien und Webereien legte er den Grund zu diesen märkischen Industrien. In ihrer besten Zeit beschäftigte die Kattunweberei in Berlin allein 5000 Stühle und stOOO Arbeiter. Allein nur die Kattundruckerei behauptete sich dauernd. Ganz besondere Fürsorge war der Seidenindustrie gewidmet. Es wurde eine Anzahl kunstgeübter