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industrie — vor. An eine strenge zünftige Scheidung der Handwerker war nicht mehr zu denken. Selbst einige, bis dahin noch zunftmäßig betriebenen Zweige, wie Färberei, Zeugdruckerei und Appretur, gingen damals schon den Zünftlern verloren. Im wesentlichen neu war die Erstarkung des Zwischenhandels und das Eintreten großer Verlagshäuser für Einkauf und Absatz.
Nach Nicola?) bestand f782 die Berliner Tuchmachergilde aus 50 Meistern, die auf 248 Stühlen zum Teil für das Lagerhaus arbeiteten, eine verschwindende Zahl gegen die ganz- und halbwollen arbeitenden Tuch- und Zeugmanufakturisten, 336 an der Zahl mit 3097 Stühlen und 3270 Webern. Die Summe aller in der Tuch- und Zeugmanufaktur beschäftigten Personen wird auf 13 000 berechnet, ohne die auf dem Lande mit Spinnen für die Manufakturisten beschäftigten Leute. Es gab ferner H06 Strumpfwirkermeister in Berlin, die 157 Stühle im Gange hatten, aber nur fünf Strumpfstrickermeister mit 44 Stühlen. Für Seiden-, halbseiden- und Baumwollmanufaktur fehlen Angaben bis auf die Erwähnung, daß auf Halbseide 298 Stühle gingen. Kamelhaarmanufaktur wurde auf 30 Stühlen, Weberei feiner und grober Leinwand von 86 Fabrikanten auf f72 Stühlen betrieben.
Früher oder später mußte jedoch ein Rückschlag erfolgen, da die Blüte zum Teil künstlich hervorgerufen war. Er trat nach dem Tode des großen Königs durch die Französische Revolution, durch die sich daran schließenden Kriege, vor allem aber durch die Kontinentalsperre und ihre Folgen ein. Bis f805 kann man noch ein fast beispielloses Aufblühen der Industrie verfolgen, weil die Revolutionsjahre das französische Handwerk, das Seidengewerbe zumal, schwächten und dadurch die Befriedigung des Weltbedarfes nach anderen Gebieten lenkten. Später, als in Frankreich wieder geordnete Verhältnisse eintraten, erhielt sich die Industrie auf ihrer höhe, weil infolge der gegen England gerichteten Kontinentalsperre die Einfuhr von dort unterbunden war. Um die Jahrhundertwende stand Berlins Aufschwung geradezu einzig unter den preußischen Städten da, die Stadt war im ersten Jahrzehnt des fst- Jahrhunderts eine wirkliche Manufakturstadt geworden. Unter acht Berlinern war H80H einer im Textilgewerbe beschäftigt. Aber noch hatte sich die Arbeitsweise wenig geändert. Trotz des auf das Drei- und Vierfache gestiegenen Geschäftsumfanges wurde nur ein geringer Teil von einem modernen, die Vorteile der Arbeitsteilung in Haus, Werkstätte und Fabrik nützenden Betriebssystem bestritten. Kam doch die erste Fabrik mit Dampfbetrieb erst s80f in Gang! Was das bedeutete, zeigte sich in dem Augenblick, in dem die Aufhebung der Kontinentalsperre die maschinell und daher billiger hergestellten Textilwaren Englands ins Land ließ. Mit dem wieder hergestellten Frieden trat der Zusammenbruch in erschreckender Ausdehnung ein. Die Zeit von H8H6 bis f826 war für ganz Preußen und für Berlin an erster Stelle auf dem Textilgebiet die allerunglücklichste. Daran vermochte auch die inzwischen eingesührte Gewerbefreiheit zunächst nichts zu ändern; sie bereitete nur den Boden vor für eine künftige Neu-
') Nicolai: Beschreibung der königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam usw. Berlin 1786 .