entfaltung, aber ihre nächsten Folgen verschärften nur die Krisis. Mit dem Aufhören der Staatsunterstützung erfuhr namentlich die Seidenindustrie schwere Einbuße; die Spinnerei von Baumwolle und Wolle verschwand damals fast ganz aus Berlin, da sie unfähig war, mit der neuen Maschinenspinnerei den Wettbewerb auszuhalten. Als Wirkung der Gewerbefreiheit verdoppelte sich zwar von s80s bis s8s0 die Zahl der Selbständigen, während die Zahl der Gesellen und Arbeiter auf ein Drittel zurückging; allein Arbeitsmangel und das teure Leben der Großstadt nötigte häufig zum Wegzüge in billigere Gegenden. In dieser Zeit der Abwanderung aus Berlin empfingen Nowawes, Bernau, Luckenwalde, Cottbus, Guben, Spremberg, Forst, Sorau, Brandenburg Zuzug hauptstädtischer Textil-Gewerbetreibender. Schon bald nach s8s6 war die Textilindustrie mit Ausnahme der Seidenweberei, des Aattun- drucks und einiger Spezialitäten der wollen- und gemischten Fabrikation gänzlich aus Berlin verschwunden. Hier waren es drei Engländer, die Brüder John, James und William Eockerill, die auf Einladung der Regierung durch Einrichtung einer Maschinenfabrik und einer Wollspinnerei neuen Stiles wieder eine Blüte des Gewerbes vorbereiteten, die auch an anderen Orten der Mark — wenn auch zunächst ohne Nachfolge — tätig waren. Schließlich waren es doch wieder treffliche Männer in der Regierung, die eine Wiedergeburt einleiteten, u. a. durch die Gründung des Zollvereins und durch die gewerbliche Erziehung. Unvergessen wird der NameBeuths bleiben, des Förderers aller gewerblichen Unternehmungen der nächsten Jahrzehnte, der Geburtszeit der modernen Berliner Großindustrie, die, unter Anlehnung an die, im Fabriksystem verkörperte Idee der Arbeitsteilung, aus dem Handwerk hervorgegangen ist.
Nach anfänglich langsamem Tempo beschleunigte sich der Aufstieg der Berliner Textilindustrie gegen das 5. Jahrzehnt des s8. Jahrhunderts hin. Ein wichtiges Ereignis für sie war die, in den Räumen des Zeughauses s8HH stattfindende Gewerbeausstellung. Freilich zeitigte diese neben unverkennbaren Fortschritten auch eine unerwünschte Folge, weil sich nämlich ein bedeutender Abstand gegen s80s gezeigt hatte, wurde der falsche Schluß gezogen, daß man nur zu der alten Zunftordnung zurückzukehren brauche, um die frühere Blüte wieder zu erreichen. Die preußische Gewerbeordnung von s8H5 und die Gewerbenovelle von s8H9 schränkten neben anderen Betrieben auch die Entwicklung der Textilindustrie erheblich ein, bis die Gewerbeordnung von s869 durch Zurückkehr zur Gewerbefreiheit wieder neue Bahnen erschloß. Ist die Zahl der Textilgewerbetreibenden in dieser Zeit dauernd gesunken, so hat sie auch die Ordnung von s869 nicht wieder auf die alte Höhe zu bringen vermocht, weil die hohen Mieten und Arbeitslöhne die handwerksmäßigen Betriebe zur Auswanderung zwangen. Ja, diese Abwanderung hat in den letzten Jahrzehnten angehalten und größeren Umfang angenommen, gefördert auch durch Differenzen zwischen Arbeitern und Handwerkern mit der Großindustrie. Biele Unternehmer wohnen in Berlin, aber ihre Betriebe sind auswärts. Am bedeutendsten war die Auswanderung in der Seidenmanufaktur, die fast völlig verschwunden ist. Die Gewerbezählung von M7 macht nur 3s Seidenwebereibetriebe mit 503 Personen namhaft, wenige Hunderte beträgt auch die Zahl nur der für wolle und Ge-