Die Entwicklung des Textilgewerbes außerhalb der Landeshauptstadt ist viel selbständiger vor sich gegangen, als es in straffer konzentrierten staatlichen Gemeinwesen der Fall gewesen ist. Diese Entwicklung war oft so eigenartig, daß sich nur wenige Gruppen aussondern lassen, die als unter gleichartigen Verhältnissen gedeihend oder verkümmernd, dargestellt werden können. Nur darin herrscht eine Übereinstimmung, daß die Einzelgeschichte von der Gewerbepolitik überall gleichmäßig beeinflußt wurde, mit Ausnahme allerdings der bis 1815 sächsischen Niederlausitz.
Die Mittelmark. InPotsd amsi traten Gewandschneider schon 1 409 auf : Tuchmacher wurden erst 1,599 erwähnt, die sich indessen nach dem Dreißigjährigen Krieg bis auf einen vermindert hatten. Ein neuer Aufschwung des Textilgewerbes bereitete sich unter Friedrich Wilhelm I. vor, der schon 1725 die Anlage einer Bandfabrik, einer Seidenmanufaktur und die Niederlassung von Posamentieren unterstützte. Diese hatten allein seit 1756 jährlich 520 000 Ellen wollenes Haarband für die Armee zu liefern. Ein Walkrecht im Griebnitzsee wurde 1734 Tuchmachern verliehen, die der König aus Polnisch-Lissa hatte kommen lassen, während er zugleich den Betrieb einer Samtmanufaktur begünstigte. Sein Sohn ließ es sich angelegen sein, Wollen- und Leinenarbeiter aus Sachsen, Schlesien u. a. Ländern herbeizuziehen. In der Tat waren 1742 sechs halbe Häuser an Kammsetzer und Damastweber vergeben, deren wirtschaftliches Wohlergehen der König überwachte. Nlit seiner Unterstützung ist auch eine Türkischrotfärberei in Eaputh angelegt worden. Als Hauptfabrikate von Potsdam werden in der Folge genannt: Seide, Leinen, Baumwollenzeuge (Barchent), Tuch, Hüte, Spitzen (von den Mädchen des Waisenhauses), Borden und Kleider. Uber sämtliche Fabrikanten von Stadt und Umgebung (Nowawes, wo der König 1752 böhmische Kolonisten ansiedelte, und Saarmund, dessen Tuchfabrik noch bis etwa 18stO bestand) wurde 1771 eine Kommission zur Schlichtung aller Streitigkeiten eingesetzt. Anfang des 19 . Jahrhunderts trat auch hier ein Wandel ein. Sehr einschneidend war die 1812 erfolgte Ablösung der an 199 Häusern Gewerbetreibender haftenden Verpflichtung, sie ausschließlich zum Fabrikbetriebe zu benutzen. Seitdem ist das Kleingewerbe im Rückgänge. Nur neuerdings haben sich in der Stadt und Umgebung mehrere Textilfabriken entwickelt, deren Leistungen anerkannt sind.
Brandenburg a. H. scheint als Sitz von Textilgewerben erst sehr viel später als andere märkische Städte einige Bedeutung erlangt zu haben, obwohl die betriebsamen Flamänder sicher auch diese hier eingeführt haben. Erkennbar treten sie erst hervor, als um 1700 Friedrich I. dein Färber Blell, dessen Familie noch heute in Brandenburg blüht, als einen ausgezeichneten Scharlachfärber aus Brabant berief, um die damals viel getragenen Scharlachtuche im eigenen Lande Herstellen zu lassen. Etwas später wurde dem Emigranten Franz Roussel die Erlaubnis zur Anlage einer Spinnerei feiner spanischer Wolle erteilt. Es scheint, daß Brandenburgs Fabrikation während des 18. Jahrhunderts zumeist in leichten Wollwaren bestanden habe, wie in Flanellen, Perpetuellen und spanischen Dragunterzeugen. Um
9 Riehl und Scheu. Berlin und die Mark Brandenburg. Berlin 1861.