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Geschichte der Reformation in der Mark Brandenburg / Adolph Müller
Entstehung
Seite
87
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neswegs entſprach, fo war die Kirchenreformation, welche das funfzehnte Jahrhundert im Allgemeinen zu Stande zu bringen ſuchte, eine ganz andere, als diejenige, welche darauf durch den Gottbegeiſterten Luther ausgefuͤhrt wurde. Man dachte nicht an eine von innen hervorgehende Belebung und Begeiſtigung des in ſtarre Kirchenformen und Menſchenſatzungen untergegan genen Evangeliums, das dann durch ſich ſelbſt alles dem leben digen Chriſtenthum Fremdartige in Form und Geſtaltung aus ſcheiden mußte, ſondern hauptſaͤchlich eben nur an die Beſeiti gung dieſer äußerlichen Mißbraͤuche und Uebel. Was gelehrt, geglaubt und ſelbſt gedacht werden ſollte, in Bezug auf religioͤſe und kirchliche Dinge, das war von den Concilien und vom Papſte großentheils buchſtaͤblich feſtgeſetzt, und dem Geiſtlichen, von dem Cardinal und Erzbiſchofe bis zu dem niedrigſten Meßprieſter herab, war kaum etwas anderes zu thun uͤberlaſſen, als das fer tig Empfangene und ihm zur Mittheilung an die Laien Ueberge bene ohne irgend eine Bezeugung feines individuellen religiöſen Lebens wieder auszutheilen. Ein neuerer Schriftſteller vergleicht nicht unpaſſend die katholiſche Kirche mit einem großen Hand lungshauſe, deſſen Chef der Papſt, deſſen Hauptcomptoir zu Rom, und deſſen Handlungsdiener die uͤbrige Prieſterſchaft ſei, welche zufolge ihrer von Rom erhaltenen Vollmachten und Anweiſun gen mit den Voͤlkern unterhandele, und ihnen an Lehrſaͤtzen und Lehrmeinungen ſoviel mittheile, als ſie zu ſolcher Mittheilung von ihrem Chef empfangen haͤtte. Bei einer fo ganz aͤußerlichen Verwaltung der chriſtlichen Kirche und ihrer Dogmen kommt es dann freilich wenig darauf an, welchen ſittlichen Wandel der Prie­ſter fuͤhrt, und wie viel oder wie wenig er ſelbſt nach der Lehre handelt, die er ſeiner Gemeinde zur Befolgung vorſchreibt. Er behandelt nur fremdes Eigenthum, das als von der Kirche aus gehend geheiligt und gleichſam mit dem Stempel der Approba tion verſehen iſt, und das daher durch ſeine Perſoͤnlichkeit ſo we nig etwas verliert, wie der Wechſel eines anerkannt guten Hand lungshauſes, den ein unſittlicher Commis vorzeigt. In der evan geliſchen Kirche hat der Geiſtliche eine durchaus andre Stellung: es kommt auf feine individuelle Glaubensreinheit und Glaubens­