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Die Schlacht bei Kesselsdorf : Vortrag, gehalten in der Militärischen Gesellschaft zu Berlin zur Feier des Friedrichstages 1904 (mit zwei Plänen in Steindruck) / von v. Lindenau
Entstehung
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Rutowski ſelbſt ſollte mit der ſächſiſchen Hauptarmee vom 20. No vember ab ſelbſtändig operieren, Prinz Karl über Zittau nach Lauban rücken, um dem Angriffe der Sachſen auf die Mark den Rücken zu decken.

In dieſem zweiten Operationsplane war die Aufgabe klarer erfaßt, die der Armee des Prinzen Karl gegenüber dem Heere des Königs zufiel. Dieſer hätte wohl ſicher mit ſchnellem Schlage die weit ausholende Unter nehmung unterbunden, die der Herzog von Weißenfels in dem erſten Operationsplane dem Prinzen Karl über Bautzen auf Frankfurt a /O. zu gedacht hatte. Andererſeits war aber der gute Gedanke des erſten Entwurfs, der in dem gemeinſamen überraſchenden Angriff des ſächſiſchen Heeres und der Heeresabteilung Grünnes auf den Fürſten von Anhalt beſtand, völlig aufgegeben. Dieſer Angriff war nun dem ſächſiſchen Heere allein überlaſſen.

Aber nicht einmal zu dieſem ſollte es kommen!

Am 17. November traf in Dresden ein Kurier aus Rußland ein mit der Mitteilung, daß man ruſſiſcherſeits Bedenken gegen einen ſofortigen An­griff der Sachſen auf die preußiſchen Erblande erheben müſſe.

Dieſe Warnung aus Petersburg genügte, um die ſächſiſche Regierung ohne vorherige Mitteilung an den Prinzen Karl, für deſſen Heer es bei den bisherigen Abmachungen verblieb, zu einer ſofortigen Aufgabe des auf die preußiſchen Erblande geplanten Angriffs zu veranlaſſen.

Nunmehr ſollte die eine Hälfte des ſächſiſchen Heeres alsObſervations­korps bei Leipzig bleiben. Die andere Hälfte ſollte ſich unter Rutowski nach der Niederlauſitz auf Guben in Marſch ſetzen. Grünne ſollte dieſem Marſche die linke Flanke decken und gleichzeitig Berlin bedrohen.

Mit dieſen Abänderungen des Operationsplanes war bereits viel Zeit verſtrichen.

Der gefährliche Gegner, den man überraſchend hatte treffen wollen, war, wie bereits feſtgeſtellt, ſeit dem 11. November in dem Beſitz des ſchlecht gewahrten Geheimniſſes.

Mit der kühnen Entſchloſſenheit, die ihn in allen Lagen ſeines Lebens ausgezeichnet hat, zögerte König Friedrich nicht, diejenigen ſelbſt zu über­raſchen, die ihn überraſchen wollten.

Bereits am Tage nach Empfang der wichtigen Nachrichten fand am 12. November in Berlin die entſcheidende Beratung des Königs mit dem Fürſten Leopold von Anhalt und dem Miniſter Grafen v. Podewils ſtatt.

Beide bezweifelten die Richtigkeit der Mitteilungen des ſchwediſchen Geſandten. Dem König dagegen ſtand ihre Richtigkeit außer allen Zweifeln angeſichts der über den Marſch Grünnes und der aus Schleſien in den letzten Tagen eingetroffenen Meldungen. Die preußiſchen Vorpoſten in Schleſien ſowie die Aufklärungsorgane in Böhmen hatten gut aufgepaßt und ſchnell den Aufbruch der Armee des Prinzen Karl gemeldet.