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Die Schlacht bei Kesselsdorf : Vortrag, gehalten in der Militärischen Gesellschaft zu Berlin zur Feier des Friedrichstages 1904 (mit zwei Plänen in Steindruck) / von v. Lindenau
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Dies find gewiß Gründe, die den Aufſchub des Vormarſches unter Um ſtänden hätten rechtfertigen können, aber ſie ſind nicht ausreichend, um das dreitägige Warten in dieſer Lage zu erklären. Man wollte den Feind über raſchen. Das konnte nur gelingen, wenn man ohne Verzug handelte. Jeder Aufſchub machte eine Überraſchung unwahrſcheinlicher.

Alle Verſuche, das Verhalten des Fürſten dem Könige gegenüber dieſer Hinſicht zu rechtfertigen, wie ſie unter heftigen Angriffen auf das Generalſtabswerk gerade in letzter Zeit unternommen ſind, werden den Fürſten angeſichts der nachweisbaren vier Befehle des Königs zum Vormarſch nicht von dem Vorwurfe befreien, daß er hier unnötig gezögert habe.

Auch die in das Treffen geführte Erwägung, das zögernde Verfahren des Fürſten ſei im Hinblick auf einen Weitermarſch der Grünneſchen Heeres abteilung, die am 22. November Torgau erreichte und ſich nun zwiſchen das ſächſiſche und böhmiſche Heer in der Richtung auf Guben einſchieben ſollte, zu rechtfertigen, kann man nicht gelten laſſen. Die beſte Art, Grünne auf ſeinem etwaigen Weitermarſche zur Umkehr zu zwingen, war der dem Fürſten befohlene Angriff auf die Sachſen bei Leipzig.

Auch die Äußerung des Königs in dem Schreiben vom 22. November, ich zweifele nicht, daß nicht die Sachſen zugleich Ew. Liebden orthes hostilität angefangen haben ſollen, kann das Zögern des Fürſten nicht rechtfertigen. Der König hatte in den erſten drei Schreiben dem Fürſten die Inſtruktion gegeben, den Sachſen auf den Hals zu gehen, ſobald die Oſterreicher in die Lauſitz eingerückt wären. Das vierte Schreiben des Königs bringt nun die entſcheidende Mitteilung mit der nochmaligen Aufforderung, die Sachſen ſo tüchtig als immer möglich zu ſchlagen. Da war der Fürſt nicht berechtigt, von der ſo oft wiederholten Inſtruktion des Königs abzuweichen und ſtehen zu bleiben, nur weil die Vermutung des Königs, daß die Sachſen auch die Feindſeligkeiten begonnen hätten, nicht zutraf. Die Nachſchrift des Königs es bleibet bei die order die ich ihnen gegeben habe, und wie ich mihr Mündlich mit Ihnen expliciret habe, mußte alle derartigen Bedenken des Fürſten beſeitigen.

Am 27. abends erhielt der Fürſt die vom 23. abends datierte Sieges­nachricht von Katholiſch⸗Hennersdorf, der die Worte zugefügt find:

Bey dieſen Umſtänden iſt nicht anderes zu tun, als daß Euer Liebden nur auf die bei Leipzig ſtehende feindliche Armee losgehn, und zweifele Ich nicht an einem guten succes.

Erſt auf dieſen erneuten Befehl, den fünften ſchriftlichen ſeit der erſten Entſchließung des Königs, ſetzte ſich der Fürſt am 29. November mit ſeinem 25 000 Mann ſtarken Heer in vier Marſchſäulen auf Leipzig in Bewegung. Dort hatten die Sachſen nur ein etwa 10 000 Mann ſtarkes Beobachtungs­korps unter dem Generalleutnant Grafen Renard zurückgelaſſen, während