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nicht aufwiegen. Sie ließ 3810 Mann Tote und Verwundete auf dem Schlachtfeld, darunter 583 Offiziere.
Auf der Seite des Angreifers muß man rückhaltlos anerkennen, daß der Feldmarſchall am 15. Dezember alle Vorwürfe, die ihm für ſein zögerndes Verhalten auf dem Wege von Halle bis Leipzig und weiter über Eilenburg nach Torgau nicht erſpart bleiben konnten, am Tage von Keſſels dorf in glänzender Weiſe wieder gutgemacht hat. Es geſchah in der letzten Friſt, die ihm zum ſelbſtändigen Handeln blieb. Die Art, wie er die Schlacht ſchlug, iſt für den tapferen Helden ungemein charakteriſtiſch. Die ausſichts volle Umfaſſung des feindlichen linken Flügels, die ſich ihm bietet, tritt gar nicht in den Kreis ſeiner Erwägungen. Er ſieht nur: es iſt Mittag und der eine Wintertag, der ihm bleibt, nur noch kurz. Frontal marſchiert er auf und frontal ſtürzt er ſich mit der ganzen Wut, die in ſeinem Innern auf geſpeichert ſein mochte, auf den Feind. Als der zu kühne Drang ſchon droht, ihm den Lorbeer zu entreißen, findet er ſelbſt die beſte Aushilfe gegen den voreiligen Feind. Unter perſönlichſter Hingabe ſtellt er die Schlacht wieder her. Auf der ganzen Front der Preußen herrſcht derſelbe eiſerne Wille, der ihren großen Exerziermeiſter beſeelt:„Siegen oder ſterben. Seine ſtrenge Friedensſchule hält reiche Ernte, ſie iſt es im letzten Grunde, die ihm Meiſterſtück ſeines Lebens gelingen läßt, obwohl der Verluſt des Angreifers ein ganz außerordentlich hoher iſt, im ganzen 5036 Mann, darunter 135 Offiziere. Dieſer Verluſt entfällt faſt ganz auf die Infanterie. Ein Viertel ihres Beſtandes liegt auf dem Schlachtfelde.
In taktiſcher Hinſicht iſt die Schlacht, das ſtellt ihr Verlauf für alle Soldaten außer Frage, eine der frontalſten, die man je geſchlagen hat. Trotzdem haben ſich die Gelehrten nicht geſcheut, auch aus ihr eine Schlacht der ſchrägen Schlachtordnung zu machen. Sie haben das nur getan, um ein weiteres Beiſpiel dafür zu haben, daß das Generalſtabswerk unrecht haben ſoll, wenn es behauptet: König Friedrich habe erſt im Siebenjährigen Kriege die ſchräge Schlachtordnung auf die Lineartaktik wirklich übertragen und grund ſätzlich angewandt, nachdem er ſein Heer in den elf Friedensjahren zwiſchen dem zweiten und dritten Schleſiſchen Krieg hierzu perſönlich erzogen hatte. Ein übleres Beiſpiel als Keſſelsdorf konnte für das Gegenteil dieſer Be— hauptung nicht beigebracht werden.
Aber die Anhänger des Entdeckers der„doppelpoligen Strategie der alten Monarchie“ haben auch noch weiterhin betreffs Keſſelsdorfs andere Dinge gefunden, die einem Ranke, Droyſen, Koſer und allerdings auch dem Generalſtabe verborgen geblieben waren. Ihre Verſuche, das Verhalten des Fürſten Leopold auf ſeinem Wege von Halle über Leipzig nach Torgau zu rechtfertigen, ſcheitern an der einfachen Darlegung der Korreſpondenz des Königs und Fürſten, die ich verſucht habe, in ihrem ganzen Verlauf im Ein—