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Arbeitszeit im Wandel : Möglichkeiten und Formen der Arbeitszeitgestaltung / von Helmut Glaubrecht; Dieter Wagner; Ernst Zander
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Zur Geschichte der Arbeitszeit 19

Arbeit hat also einen persönlichen Sinn, schafft Lebensunterhalt und bil­det die Grundlage der wirtschaftlich-beruflichen Existenz. Dabei war vom Altertum bis zum Beginn der industriellen Entwicklung der ganze Tag mit Arbeit ausgefüllt, wobei Arbeit durchaus nicht nur als Last und Fron, son­dern oft durchaus auch als Freude empfunden wurde. Die beginnende In­dustrialisierung änderte an der Arbeitszeit faktisch nichts. Eine bedeutsa­me Änderung erfolgte jedoch durch die Trennung von Arbeits- und Wohnstätte, die in der englischen Textilindustrie etwa um 1830 einsetzte.5 Dieser Sachverhalt galt natürlich nicht für die Arbeitskräfte in der Land­wirtschaft. Im Hinblick auf die Länge der Arbeitszeitvon Sonnenauf­gang bis Sonnenuntergang war dieser Unterschied bedeutungslos.

2. Arbeitszeitverkürzung als historischer Prozeß

Das Arbeitsleben begann im Kindesalter in England durften Jugendli­che von 9 bis 13 Jahren aufgrund von Bestimmungen von 1802, 1819 und 1825nicht mehr als maximal 9 Stunden am Tag arbeiten und endete mit der körperlichen Arbeitsunfähigkeit.®

Der 16-Stunden-Tag galt zu Beginn des 19. Jahrhunderts als üblicher Ar­beitstag. Erst das im Höhepunkt des Frühkapitalismus einsetzende fac­tory-movement führte 1847 in England zu einer Reduktion der Arbeitszeit auf etwa 12 Stunden täglich. Die 48-Stunden-Woche gibt es in Deutsch­land seit 1919. Heute ist die 40-Stunden-Woche weitgehend verwirklicht. DerEinstieg in die 35-Stunden-Woche hat mittlerweile stattgefunden. Die Tarifverhandlungen des Jahres 1987 haben zu weiteren Verkürzungen in diese Richtung geführt.

Was zu Beginn der Industrialisierung unmenschlicher Zwang war, gilt heute als attraktiv: Die geregelte Arbeitszeit, die für Selbständige, Hand­werks- und Handelsbetriebe, insbesondere aus arbeitsorganisatorischen Gründen, nie in der Form vorhanden sein wird wie im arbeitsteilig organi­sierten hochtechnisierten Industriebetrieb.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgten die ersten größeren Arbeitszeitver­kürzungen in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Abklingen der Wiederaufbauphase. Sukzessive verringerte sich die seit 1919 geltende 48­

5 Eggebrecht, A.: a.a.O., S. 206.

6 Engels, F.: Die Lage der arbeitenden Klassen in England, 2. Aufl., Stuttgart 1892. Vgl. auch Engels, W.: Arbeit und Arbeitsmarkt im Hochkapitalismus, Köln/Bonn 1974, Ss. 12.