Arbeitszeitverkürzung und Tarifpolitik 55
Heute dominiert nach wie vor das beschäftigungspolitische Argument, wenn man von der Diskussion um Arbeitszeitverkürzungen für besonders belastete Arbeitnehmergruppen(ältere Arbeitnehmer, Schichtarbeiter, Arbeit unter besonderen Belastungen) einmal absieht. Die Haltung der Tarifparteien scheint dabei völlig konträr zu sein: Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände lehnt generelle Arbeitszeitverkürzungen als untaugliches Instrument der Beschäftigungspolitik schlichtweg ab. Dies gilt insbesondere für die Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Die Gewerkschaften sehen in der Arbeitszeitverkürzung dagegen eher ein Allheilmittel, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen.
Wie die Berechnungen auseinanderklaffen können, zeigt folgende Übersicht über den Beschäftigungseffekt der Arbeitszeitverkürzung von 40 auf 38,5 Stunden pro Woche in der Metallindustrie(vgl. Abb. 19).
Wie oft, wenn sich These und Antithese gegenüberstehen, könnte die Wahrheit in der Mitte liegen. Darüber hinaus sind beide Tarifparteien kein monolithischer Block. Auf seiten der Gewerkschaften gibt es unterschiedliche Meinungen sowohl über die Art der Arbeitszeitverkürzung als auch über die Frage des Lohnausgleichs. Einzelne Arbeitgeberverbände wiederum sind unter bestimmten Bedingungen bereit, bestimmte Formen der Arbeitszeitverkürzung zumindest zu diskutieren und flexible Lösungen anzustreben. Dabei sei noch erwähnt, daß die Arbeitgeberverbände Arbeitszeitverkürzungen meistens zunächst abzuwehren versuchten, wobei insbesondere in den anhaltenden Wachstumsphasen nach dem 2. Weltkrieg ihr Widerstand gegen die Forderungen der Gewerkschaften naturgemäß schwächer war.
1. Haltung der Arbeitgeberverbände
Die Arbeitgeberverbände haben immer wieder betont, daß sie Arbeitszeitverkürzungen in beschäftigungspolitischer Hinsicht für weitgehend wirkungslos halten. Sie haben mehrfach darauf hingewiesen, daß der mit Arbeitszeitverkürzungen verbundene Kostenanstieg nur teilweise durch Produktivitätsgewinne ausgeglichen werden könne.
4 Esser, O.: Perspektiven der Wirtschafts- und Sozialpolitik für die kommenden Jahre, Köln 1983, vgl. auch den Jahresbericht der BDA für 1986, S. 38:„Damit haben sich die Einschränkungen der Arbeitgeberverbände bestätigt, daß generelle und pauschale Arbeitszeitverkürzungen keinen Beschäftigungszuwachs initiieren.“ Arbeitsplätze nehmen bei dieser Argumentation statt dessen insbesondere dann zu, wenn die Produktion bei expandierenden Märkten ansteigt.