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Arbeitszeit im Wandel : Möglichkeiten und Formen der Arbeitszeitgestaltung / von Helmut Glaubrecht; Dieter Wagner; Ernst Zander
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172 Praktische Erfahrungen mit Regelungen zur Arbeitszeitverkürzung

Diese bereits Mitte der 70er Jahre abzusehenden Konsequenzen haben bei den Unternehmen der Zigarettenindustrie, dem Arbeitgeberverband und bei den Gewerkschaften beträchtliche Besorgnisse ausgelöst und vielfälti­ge Initiativen hervorgerufen. Beide Sozialpartner verbanden sie mit dem Willen, die psychischen und physischen Belastungen zu mildern, denen vor allem die älteren Arbeitnehmer durch die neue Technologie ausgesetzt waren. Außerdem erschien die Gelegenheit geeignet, deren Übergang in den Ruhestand zu erleichtern.

Die Gewerkschaft NGG benutzte die Gelegenheit zur Vorlage eines umfas­senden tarifpolitischen Konzepts, dessen Kern in dem Vorschlag bestand, die Wochenarbeitszeit vom 50. Lebensjahre an stufenweise zu reduzieren, und zwar bei vollem Lohnausgleich. Diese Vorschläge mußten von den Ar­beitgebern als finanziell und sozialpolitisch untragbar zurückgewiesen werden.

Zwischen 1977 und 1978 wurde schließlich in langwierigen und schwieri­gen Verhandlungen zwischen der NGG und den Vertretern der Zigaretten­firmen ein Kompromiß gefunden, der als Sonderregelung für ältere Ar­beitnehmer bekanntgeworden ist.

Diese Sonderregelung stellte rechtlich gesehen eine Vereinbarung sui generis dar. Es handelte sich nicht um einen Tarifvertrag. Die Erklärung des Arbeitgeberverbandes der Zigarettenindustrie vom 8. 6. 1978, in der der Inhalt der Vereinbarung enthalten war, hatte folgenden Wortlaut:

Wir erklären, daß unsere Mitgliedsunternehmen, die ständig mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigen, folgende Regelung ab 1. 9. 1978 anwenden werden:

1. Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und dem Unter­nehmen mindestens 10 Jahre angehören, können im Einvernehmen mit Arbeitgeber und zuständigem Betriebsrat bis zum frühestmöglichen Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung alternativ

a) von der Arbeit bei Fortzahlung von 75% ihrer Bruttobezüge ein­schließlich Jahressonderzahlung freigestellt oder

b) bei herabgesetzter Wochenarbeitszeit von 20 Stunden mit vollem Arbeitsentgelt beschäftigt

werden.

Ein Wechsel zur Alternative a) ist möglich.