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Arbeitszeit im Wandel : Möglichkeiten und Formen der Arbeitszeitgestaltung / von Helmut Glaubrecht; Dieter Wagner; Ernst Zander
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244 Arbeitszeitflexibilisierung durch Teilzeitarbeit und Job-sharing

waren, mochte niemand so recht an den Abbau dieser betriebswirtschaft­lich nicht mehr benötigten Arbeitskräfte denken. Die Neigung zu ökono­mischer Rationalität wurde auch entscheidend durch die Mitwirkungs­rechte der Betriebsräte und durch Pressionen der Gewerkschaften ge­bremst. Dadurch unterblieben Strukturanpassungen und Betriebsein­schränkungen bzw. Stillegungen. Es sind sogar Fälle bekanntgeworden, in denen Unternehmen sich verpflichten mußten, im Gegenzug zur Schlie­ßung eines Betriebes einen anderen auszubauen, obgleich beide Fabriken betriebswirtschaftlich gesehen überflüssig waren. Man kann in sol­chen Fällen von Sozialwerken sprechen.

Da sich diese Vorgänge regelmäßig nicht im Lichte der Öffentlichkeit ab­spielten, ja gelegentlich in ihrer wahren Bedeutung sogar den Handelnden verborgen blieben und sie im Bewußtsein der betriebswirtschaftlichen Un­vernunft eine solche Entscheidung nicht getroffen hätten, lassen sich zu­verlässige Aussagen über den Umfang dieser verdeckten Arbeitslosigkeit nicht machen. Hier sind wir auf Vermutungen ebenso angewiesen wie bei der Schätzung des Anteils der Arbeitsunwilligen unter den Arbeitslosen. Jedoch mag die Zahl dieser verdeckten Arbeitslosen bei ca. 750 000 Ar­beitnehmern liegen.

Schuld an dieser Entwicklung trugen ohne Zweifel in erheblichem Umfan­ge die Tarifpartner. Beide Seiten Arbeitgeber wie Gewerkschaften haben, wenn auch in unterschiedlichem Maße, die Illusion entstehen las­sen, man könne mehr verteilen als erwirtschaftet wird und weniger leisten als bezahlt wird. Gesündigt haben beide Seiten: Die einen durch unmäßi­ges Fordern, die anderen durch zu große Nachgiebigkeit. Allerdings waren die Karten auch schlecht gemischt. Das wirtschaftliche Wachstum, rei­chlich sprudelnde Gewinne in einigen Branchen, wachsende Märkte und der schier unerschütterliche Glaube, man werde die Lohnkosten schon durch flotte Preisgestaltung überholen können, beherrschten die Szene.

Das war der Boden, auf dem die Nominallöhne zwischen 1970 und 1985 kontinuierlich gestiegen sind. Beinahe noch verhängnisvoller wirkte sich der ständige Anstieg der Personalzusatzleistungen aus. Diese, neben dem vertraglich geschuldeten Entgelt gewährten Leistungen, oft auch als 2. Lohn bezeichnet?$3, umfassen z. B. vermögenswirksame Leistungen, Ver­dienstsicherungen und die betriebliche Altersversorgung, die bei Teilzeit­arbeit oft proportional höher sind als bei Vollzeitarbeit.

253 Vgl. Knebel, H./Zander, E.: Der zweite Lohn, Bonn 1982 und Glaubrecht, H., Die Be­teiligungsrechte des Betriebsrats beim Abbau von Personalzusatzleistungen, HBV, Gr. 4, 5. 185, Freiburg 1987.