Goethe und Potsdam Von Professor Dr. Hans Kania
Im Goethejahr 1932 geziemt es fich für ung Potsdamer, der Unz wefenheit des größten deutfchen Dich: ters innerhalb der Mauern unferer Stadt zu gedenken, Saft fymbolifch mutet es uns an, daß im Jahre 1778 der auffteigende Seift von Weimar mit dem alternden von Potsdam in nahe Berührung getreten ift: Der Stern Goethes in Leuchtendem Yufz
gehen, das Geftirn Friedrichs in immer noch firahlendem Sinken begriffen! Goethe hat den Namen Friedrichs allezeit mit Chrfurcht genannt, die Wahlverwandtfchaft als Genie zog ihn ebenfo zu dem preußifchen König wie zu Napoleon, Dem Staate Preußen dagegen fand er als geborener Neichsfiädter und als Bürger eines deutfchen Kleinftaates fremd und faft feindlich gegenüber. Dafür find uns feine zwar fcherzend gemeinten, aber doch eines ernfthaften Sinnes nicht entbehrenden Worte über den preußifchen Adler in der Komödie„Die Vögel“(1780) ein Zeugnis, Wir dürfen fie als ein Zeichen des Eindrucks feiner Reife nach Potsdam und Berlin auffaffen. Er läßt den Treufreund zu den Vögeln fagen:„Im Norden feht ihr jeßt das Bild des Yölers in der größten Verehrung: überall feht ihr’s aufgeftellt, und wie vor einem Heiligen neigen fih alle Bölker.... Schwarz, die Krone auf dem Haupt, fperrt er feinen Schnabel auseinander, fteckt eine rote Zunge heraus und zeigt ein Paar immer bereitwillige Krallen. So bewahrt er die Landfiraßen, ift das Entfegen aller Schleichhändler, Tabakskrämer und Deferteure, E8 wird niemandem recht wohl, der ihn anfieht,“
Der Unlaß für Goethes Reife nach Preußen, auf der er Begleiter feines Herzogs war, ift in der damaligen politifchen Lage Mitteleuropas zu fuchen. Ende des Jahres 1777 war der Kurfürft Max Jofeph von Bayern geftorben, und der tatenluftige Kaifer Sofeph hatte mit dem Nachfolger im Erbe, Karl Theodor von der Pfalz, einen Vertrag über die Wbtretung Niederbayerns und einiger Teile der Oberpfalz gefchloffen. Yuf
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