GUSTAV KAHLBAUM, HAVELBERG
Die Baronin, ich und die Revolution
Eine Maierinnerung
Etwas kommt meistens dabei heraus, wenn man in alten Papieren kramt, und wenn es auch nur eine Erinnerung ist. Kürzlich fand ich im Havelberger Heimatmuseum eine Liste, auf der die Namen von Personen standen, die dem Museum gleich nach seiner Gründung Raritäten gespendet hatten. Da las ich unter andern: „Baron Eckardstein, Plattenburg.“ Gleich fiel mir ein, daß ich ja mit der Frau dieses Mannes, der Baronin Eckardstein, vor nun bald sechzig Jahren einmal eine eigenartige Begegnung hatte. Weil dieses Erlebnis nicht einer gewissen Hintergründigkeit entbehrte, möchte ich es hier mit dem dazugehörigen Drum und Dran erzählen :
Am 1. April 1901 wurde ich nach vierjähriger Lehrzeit in Wilsnack Geselle. Achtzehn Lebensjahre hatte ich damals hinter mir. Später, als ich schon in die weite Welt hinausgeflogen war, äußerte mein Lehrmeister einmal über mich: „Er war sonst ganz tüchtig, aber er hatte zuletzt den sozialdemokratischen Kram zu sehr im Kopf.“ O ja, im Kopf hatte ich damals schon allerlei: Warum sollte ich auch als aufgeweckter junger Mensch nach vierjähriger Lehrzeit nicht die Welt ein bißchen verbessern wollen! Ich hatte dabei noch einen gewissen Vorteil voraus. Mein Vater, alter Berliner, Maurer und Sozialist, verbesserte ja auch die Welt. Er war während meiner letzten Lehrjahre Vorsitzender des neugegründeten Zweigvereins Wilsnack im Gewerkschaftsverband der Maurer Deutschlands. Unter Leitung meines Vaters wurde in unserem Städtchen der Zehnstundentag für die Maurer erkämpft. Na, und das weiß doch jedermann: „De Appel füllt nich wied vo’n Stamm, so as dat Schoop is, is dat Lamm.“ Also hatte ich schon als Lehrling immer viel Wind in den Segeln, wenn ich im Gespräch ins politische Fahrwasser geriet. Und nun, da ich am 1. April Geselle geworden war, wollte ich erst recht in der Politik meinen Mann stehen. Ich machte den drei anderen jungen Leuten in unserer Werkstatt, die noch Lehrlinge waren, klar, daß der 1. Mai der größte Feiertag der sozialistischen Arbeiterschaft sei; und wenn wir vier richtige Kerls wären, dann müßten wir diesen
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