Heft 
(1915) 4/5
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Inf.-Regt. zugeteilt. Kurz vor dem Ausrücken am 9. August schreibt er an Frau Aebtissin von Rohr:Die Begeisterung von 1813 ist durch die heutige zum mindesten erreicht, wenn nicht übertroffen. Ein Anblick wird mir immer unver­geßlich bleiben: am Mittwoch und Donnerstag zogen hier endlose Pserdetrans- porte durch, dazwischen oft Trupps von 20 bis 40 Eingezogenen. Diesen breit­schultrigen Menschen sah man den soeben durchkosteten Abschied von ihren Frauen, Kindern und Eltern noch am Gesichte an, aber mit tapfer zurückgedrängten Tränen zogen sie mit trotzigem Schritt die Straße entlang mit der Wacht am Rhein und Deutschland über alles. Die Leute sind sich des vollen Ernstes ihrer Lage wohl bewußt, aber alle stellen ihre kleinlichen Sonderinteressen in den Hintergrund vor dem einen großen Gedanken: unser Vaterland, unser Kaiser". Diese wenigen Zeilen geben uns ein Bild des Mannes, der der erste unseres Vorstandes war, den wir dahin geben mußten. Es war einer von denen, den der Abschied von den Seinen in den tiefsten Tiefen der Seele faßte, und der eben gerade aus der Liebe zu seinen Eltern und zu der Scholle, die ihn geboren, vollste Begeisterung nahm für sein Vaterland. Deutschland, Deutschland über Alles lag ihm nicht nur auf den Lippen. Wahrheit war es ihm, stärkstes Em­pfinden und durchglühte sein Gemüt bis zu seinem Heldentode an der Spitze seines Zuges.

Er war ein stolzer Prignitzer Großbauernsohn. Der Hof seines Vaters war 300 Jahre in der Familie. Seine Mutter Marie, geb. Sprunck, entstammte einem alten Bauerngeschlecht in Babitz. Der Rektor der Mittelschule in Pritzwalk, dem er übergeben wurde, als er der Dorfschule entwuchs, rühmt,daß er durch seinen Feiß, der durch hervorragende Anlagen, besonders in Mathematik und Sprachen aufs glücklichste unterstützt wurde, und durch sein unverdorbenes kind­liches Wesen der Liebling aller seiner Lehrer wurde." In seinem sechzehnten Jahre bestand er an der Realschule in Wittenberge das Abiturium unter Be­freiung vom Mündlichen. Gern hätte er einen seinen Fähigkeiten entsprechenden wissenschaftlichen Beruf erwählt, aber in willigem Gehorsam gegen den Vater kehrte er heim, um einst den Hof zu übernehmen; und gerade seine vielseitige Begabung macht es erklärlich, daß er auch, als ihm das Studium von den Eltern freigegeben wurde, Bauer geblieben ist, um aus freiem Antriebe der an­geborenen Pflicht die Scholle zu Pflegen und von seiner Stellung aus mit den ihm von Gott gegebenen Kräften zu wirken.

Ihm eignete ein großes Interesse für die Vergangenheit seines Volkes, vor allem für die vorgeschichtliche Zeit. Wertvolle Funde dieser Periode barg sein kleines Museum. 1911 fand er beim Pflügen vier tadellos erhaltene Urnen, die sein Herz noch enger mit dem Heimatsboden verwurzelten und ihm den Wert seiner Sammlung erhöhten. Um diese Zeit suchte ihn Herr Quente auf. Eine Stunde des Beisammenseins und der bis dahin so sorgsam gehütete Schatz war Eigentum des Heimatmuseums. Erich Schulz hatte volles Verständnis für Orientes selbstloses, ideales, in echter Volks- und Heimatsliebe wurzelndes Streben gewonnen und war hinfort ein eifriger Förderer des Museums. Nun war ihm ein Ziel gegeben, das aus der Enge in die Weite führte: seine Arbeit wurde nutzbar der Allgemeinheit, sie trug mit dazu bei, der Urzeit deutsches Leben und Wesen dem'heutigen Geschlecht zu erschließen, das deutsche Volksempfinden zu stärken und den Prignitzer mit Stolz und Liebe für die engere Heimat zu er­füllen. 1913 meldete er einen neuen Fund. Unter Paul Orientes Leitung wurde ein großes Urnenfeld aufgedeckt. Erich Schulz half in rastloser Tätigkeit, stellte sämtliche Arbeitskräfte unentgeltlich und ließ die kostbare Beute Kuhbierer Vor­zeit auf drei Wagen dem Heimatmuseum zuführen. Durch Werben neuer Mit­glieder suchte er unausgesetzt recht viele in die nationale Museums-Arbeit hinein­zuziehen.

Eine eigenartige Erinnerung an seine Knabenzeit birgt das Elternhaus: die untere Seite des Sitzes eines Holzstuhles zeigt in Kreidezeichnung einen Soldatenkopf mit Kürassierhelm in geradezu künstlerischer Vollendung. Das