162 Otis 29(2022) Seit 1994 – aus gesundheitlichen Gründen nun in Rente – vertrat Ernst Pries auch weiter unbeirrt eine freie Meinung und dies ohne Ansehen der Person. Als mutiger Naturschützer und furchtloser Umweltaktivist hinterlässt Ernst Pries eine Lücke, die auf absehbare Zeit nicht geschlossen werden kann. Seine impulsiven Auftritte und die Fähigkeit, auch über sich selbst zu lachen, werden in unserem Gedächtnis bleiben. Norbert Bukowsky und Bodo Giering Prof. Dr. Kai Graszynski(23.09.1934–12.06.2022) In den Schreiadlerrevieren im Landkreis Oberhavel wurde ich über die Jahre immer wieder von Landwirten, Förstern oder Jägern angesprochen:„Na, ist der Professor heut gar nicht da?“ Der Titel hatte sich herumgesprochen; Kai Graszynski selber hat ihn nie betont. Er war bekannt und beliebt bei den Leuten – bei jenen, die ihn in der Landschaft trafen, ebenso wie unter den Ornithologen. Seine immer freundliche, verbindliche und bescheidene Art gepaart mit großer Fachkenntnis machten ihn zu einem überaus angenehmen Partner und Freund. Seine Kenntnisse hat er aber nie besonders herausgestellt, stattdessen immer wieder kritisch hinterfragt und auf den Prüfstand gestellt – ganz im Sinne eines wissenschaftlichen Herangehens. Diese Denkweise ist vermutlich im Laufe seines Zoologie-Studiums an der FU Berlin gereift. Hier fand er anschließend auch seine berufliche Heimat und befasste sich bis zu seiner Pensionierung 1998 mit Lehre und Forschung am Zoologischen Institut. Den Vögeln war er allerdings schon viel länger verbunden. Bei den Berliner Ornithologen gehörte er bereits während seiner Schulzeit zur Jugendgruppe, durchstreifte den Grunewald und beringte Rohrsänger an der Havel. Auch später mit seinen Studenten war er in der Natur unterwegs und organisierte vogelkundliche Praktika und Exkursionen. Zu seiner Lieblings-Vogelart, dem Schreiadler, kam„Graszy“, wie er unter seinen Adler-Freunden genannt wurde, über den Altmeister der Schreiadlerforschung in Brandenburg Viktor Wendland, den er aus den Ornithologen-Kreisen in West-Berlin kannte. Mit der Öffnung der Mauer eröffneten sich ihm dann die märkischen Adlerreviere quasi vor seiner Haustür. Schon Anfang der 1990er Jahre tauchte er mit Studenten an der Naturschutzstation Woblitz mit ihrem Aufgabenschwerpunkt„Greifvogelschutz“ Kai Graszynski nach der Anbringung einer HorstbaumManschette(2014, Landkreis Oberhavel). Foto: T. Langgemach. auf und gehörte fortan mit großer Verlässlichkeit zu deren ehrenamtlichem Umfeld. Bald schon wurde Kai Graszynski vom Landesumweltamt zum ehrenamtlichen Horstbetreuer berufen und kümmerte sich seither mit Inbrunst um mehrere Schreiadlerreviere. Darüber hinaus half er in Nachbarrevieren und beteiligte sich im gesamten märkischen Verbreitungsgebiet an dem, was wir„Lückenmonitoring“ nannten – der Nachsuche in früheren, verwaisten oder auch potenziell geeigneten Revieren. Hintergrund war der enorme Druck, unter dem die Landschaft nach der politischen Wende stand. Angesichts
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(2022) 29
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