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Sonderheft 1, Zeitbilder: Zwei Fragmente von Theodor Fontane "Sidonie von Borcke" und "Storch von Adebar"
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Der Doktor hatte Sorge, wo das hinaus wolle, aber das Schlimmste blieb ihm erspart, ein Schlagfluß trat dazwischen und den dritten Tag war er hinüber. Beisetzung. Am traurigsten war Sarah. Sie hatte den Alten wirklich geliebt. - Der alte Kürassiermajor schrieb: Storch ist nun hinüber. Eine konfuse Natur, ein Halber, Wirrer, ist weniger in der Welt: Storch ist tot. Er war eigentlich ein guter Kerl und in vielem Betracht gar nicht übel M , aber die zweite Hälfte seines Lebens 55 - in seiner Jugend war er ein flotter, netter Kerl gewesen - war verfehlt. Die 48er Zeit, in der er gerade das Gut übernahm und die nun folgende Reaktions-Periode war entscheidend für ihn. Er wurde christlich-konservativ, faselte be­ständig vom Christlich-Germanischen, und ist für mein Gefühl innerlich an dieser Rolle zu Grunde gegangen. Hätt er 100 Jahr früher gelebt, so war er ein Landedelmann comme- il-faut gewesen; er hatte das Zeug dazu; so mußt er eine Rolle spielen, die ihm nicht kleidete. Hätt er sich seines Egoismus nicht geschämt, sich offen dazu bekannt, so wär er und andre glücklicher gewesen, so sollte all und jedem ein christliches oder ein Tugend­mäntelchen umgehängt werden. Eigentlich war ihm all das langweilig, aber er dachte, es müsse so sein. Ich habe nichts gegen das Christlich-Konservative, ganz im Gegenteil, ich glaube daß cs ein Segen ist, aber das Dilettieren damit, ist von Übel und diskreditiert die

Sache und die Personen. Da war Ziegendorf, da war Kottwitz, da war.; wer wird

über diese Leute lachen? Nur ein Narr. Aber das Dilettieren ist verwerflich und auch wer hier was will, der sei vom Metier. 56 Ob man sein Metier aber versteht, darüber entscheidet die Natur. Wer ein märkischer Durchschnitts-Edelmann ist, der bleibe davon. Er bringt sich und andre um das Behagen des Daseins. (Gut) Vorher: er war nichts als ein Edelmann von altem Schrot u. Korn, der möglichst wenig ausgeben, der möglichst viel einnehmen wollte, eitel, adelsstolz, etwas geizig, etwas habsüchtig und loyal, so lang es paßte, und so ausgerüstet kam er in die Lage eine der Säulen der Gesellschaft sein und für ideale Güter des Lebens wirken zu sollen.

Charakterschilderung

von

Storch und Störchin

Hierin ist einiges Gute erhalten, namentlich in Bezug auf ihn und seine schließliche Kon­fusion und Taprigkeit, - ich darf mich aber an den Gang der Dinge nicht binden, es stam­men diese Notizen aus der ersten Zeit, wo die Reihenfolge noch nicht geklärt und be­stimmt war.

Der Hauptcharakter ist die Frau, geb. Trebia v. Trebiatinski.

Sie regiert, sie bestimmt alles, sie gibt dem Hause den zu Fr. W. IV. Zeiten modischen christlich-konservativen Stempel mit Bethanien, innrer Mission, Wiehern (wird von einem mit Ernst Wiehert verwechselt), Asylen, Magdalenen-Stiften etc. Sie ist nur hochmütig, ganz kalt, ganz nüchtern, ganz berechnend, und bei Hofe sein und im christlichen germa­nischen Hofedienst aufgehen und auch Vorteile ziehen (Ackerbau-Minister, Mitglied des Staatsrats, Oberst-Kämmerer, Oberst-Gewandschneider etc etc.) ist das Ziel und Glück ihres Lebens. Und dazu Korrespondenz mit frommen Geistlichen. Ihre rechte Hand, bez. ihr Berater ist ein kluger Geistlicher, eine Art Stephan, dessen Buch ich lesen muß.

Die Katastrophe leitet sich nun so ein.

Es geht finanziell immer schlechter mit Storch, Fr. W. IV ist 57 zurückgetreten und die Tage der Regentschaft sind angebrochen und in dieser Zeit verlobt sich der Sohn mit einer Jüdin, was sie zwar für ein Glück ansehen muß, aber daß sies als solches in ihrem Herzen ansehen

54 Gestrichen: .Er

55 Gestrichen: war er verfehlter 54 Gestrichen: Uber das Metier

57 Gestrichen: gestorben oder doch

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