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Sonderheft 1, Zeitbilder: Zwei Fragmente von Theodor Fontane "Sidonie von Borcke" und "Storch von Adebar"
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Dieser Rechtsanwalt (oder Doktor) wird auch dann und wann mit zu den Gesellschaften gezogen, wenn sichs darum handelt, auch die Gegenpartei für irgend etwas Frommes im Kreise, das nebenher tatsächlich einem guten Zweck dient, zu interessieren. Daran reiht sich dann immer ein Souper und hier ist nun der Rechtsanwalt immer extravagant mit Be­wußtsein. »Ist man fein (selbst wenn man es sein kann, was bei mir in Frage steht) so ärgern sie sich, weil sie denken, man will was aus sich machen. Man kann nur durch Kühn­heiten imponieren. [«] Dahin gehört nun die, daß er das Wort »sinnlich« immer als letzten Trumpf und höchstes Anerkennungsmaß ausspricht. »Eine schöne Frau, klug, tapfer und durchaus sinnlich .« »Aber alles auf sinnlicher Wahrnehmung.« Luther: [»]ein Mann der Ideen und von einer strotzenden Sinnlichkeit.«

»Man muß ihn an die Wand drücken, muß ihn culbutieren.«

Der ]ustizrat. »Ich bin auch ein Feinschmecker. Z. B. in Soda-Wasser * ,(J . Sie glauben nicht wie viel Nuancen es hier gibt, wie Champagner-Firmen. (Obenan steht die Natur) Man kann sagen, es herrscht auch hier ein Anciennitäts-Prinzip, ein Aristokratismus, eine Be­redsamkeit der alten Familien. Obenan steht Müller Natur, dann Struve-Soltermann, dann erst folgt der Rest. Den Schluß macht der kleine Badeort-Apotheker, den man den Hotel Apotheker nennen kann. Es ist als ob er die Kohlensäure bloß neben das Wasser sperre, so wie Sie die Flasche geöffnet haben, ist die Brunnen-Nixe weg und der bloße Brunnen bleibt übrig. Ich meine die Pumpe.[«]

Eine der Gesellschaftsputen

L'nd er (einer der Geistlichen, der gesprochen) hat ein solches je ne sais quoi, solche Ein­fachheit und solch Pathos.

Der Rechtsanwalt. Ja, meine Gnädigste, das hat er 411 , und auch ich fühle mich ihm zeitweis unterworfen. Aber achten Sie auf die Art seines Pathos , 112 aber es berührt mich mitunter pathologisch, und anstatt 113 pathetisch zu sein ist er Peripathiker.

Ich finde nun daß er ein schönes Pathos hat.

Das hat er, aber 114 wo das Pathetische **' > zugleich wie das Synthetische wirkt, verletzt es das ästhetische Gesetz.

Ich entsinne mich nicht je durch Pastor O . . verletzt worden zu sein.

Ich ebensowenig. Ich sprach nur einen allgemeinen Satz aus und wollte eine Gefahr an­deuten, ein periculum in mora. Zuletzt meine Gnädigste kann niemand über seinen Schatten springen, auch Pastor. . . nicht, und wir sind gebunden durch die Natur im allgemeinen und durch unsre Natur im besondren. Und so hat es immer zwei Parteien gegeben und wird es ewig geben und während die Habsüchtigen/Mehrheitsmenschen sich ewig für die Quadrate der beiden Katheten entscheiden werden, wird der Einheitsmensch immer dem Quadrat der Hypotenuse den Vorzug geben. Das ist so alt wie die Welt ist und ist tief in unsrer menschlichen Natur begründet. Auch dies verdanken wir 110 unserer Frau Eva.

Ah, Sie dürfen nicht so ungalant sprechen. »Ich bin ein Freund der Damen 117 aber ein größerer der Wahrheit.« Und er küßte ihr verbindlichst die Hand.

7 -

DAS DACHSGRABEN«

Danach die Abendgesellschaft an der die bürgerlichen Elemente teilnehmen.

Übermütige Unterhaltung.

110 Darüber: Selterwasser

1,1 Darüber: er hat dies Pathos und doch ist er weniger Pathalog als Peripathiker.

112 Gestrichen: es ist

113 Gestrichen: einfach

114 Gestrichen: wenn sich [Das folgende »wo« nachträglich vor der Streichung cingcfügt.]

1,5 Gestrichen: ins Synthetische]

1,4 Gestrichen: denn

117 Darunter nicht gestrichen: des Plato

1,8 Von hier bis Kapitel 16 (i. Absatz) die unmittelbar nach den Überschriften folgenden Textzusätze je­weils mit Bleistift auf dem Titelblatt notiert.