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Sonderheft 1, Zeitbilder: Zwei Fragmente von Theodor Fontane "Sidonie von Borcke" und "Storch von Adebar"
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15 -

TOD DER BARONIN Vorher Szenen mit Attinghaus, Neigebauer und dem Pastor.

16.

STORCH ATMET AUF

Es läßt sich alles gut an. Idyll. Von den Töchtern ist nicht die Rede mehr. Attinghaus kommt oft. Storch besinnt sich wieder auf sich selbst. Er beschäftigt sich wieder nach seiner Neigung und wird leidlich liberal in Politik u. Kirche.

Nachdem die Trebiatinski tot ist (der Sohn, der letzte Sproß, vielleicht auch tot), erholt sich der Alte wieder, wird wieder Numismatiker, putzt Münzen und freut sich der Schwie­gertochter.

»Weißt du denn, daß die Schwiegermama demnach auch eine Semitin war?«

Attinghaus ist dabei zugegen. Dies macht einen großen Eindruck auf Storch, aber einen heitren, erst ist er vernarrt, dann lacht er, beim Piquet hat er mit Attinghaus ein Gespräch darüber.

Er wird nun wieder ganz fidel und glücklich und die Tage seiner Jugend kehren ihm wie­der. Er liebt die Schwiegertochter. Und so geht alles gut.

Aber ein böses Prinzip war da: der Generallietnant z. D. v. Trebiatinski, Mitglied vieler Vereine u. Johanniter-Ritter. Dieser besucht ihn, bestimmt ihn und der 30jährige Einfluß der Frau kehrt wieder.

Als er zurück kam, war er wie umgewandelt. Aber es fiel nicht schwer sich darin zu finden, denn er hatte auch den Keim einer tödlichen Krankheit mit heimgebracht. (Diese Krank­heit muß vorher angedeutet sein; sie war nur eine Zeit lang bekämpft.) Er war ablehnend, absprechend, spitzig und in seinen Fieberanfällen zeigte sich was er war. Er sprach mal liberal und human, aber dann kam der Trebiatinskische Katechismus wieder zum Vor­schein. Er wurde gepflegt. Und so starb er.

Die Trebiatinskis blieben bis Mitte des vorigen Jahrhunderts in Italien, dann erst nach Polen und erst 1794 zu Preußen. In der ersten Einführung heißt es: eine pbönizisch-italiscbe Familie, woran sich dann allerhand Plaudereien knüpfen. »Ich kenne christlich-germanisch oder anglo-normännisch, aber phönizisch-italisch ist mir neu.«

17.

GENERAL-LIEUTNANT Z. D.

TREBIA V. TREBIATINSKI

Er [Storch] bleibt immer noch unter dem Einfluß seiner früheren Anschauungen und seiner Familie, andrerseits unter dem Einfluß der liebenswürdigen jüdischen Schwiegertochter, die er liebt. Er sucht zwischen beiden zu vermitteln und schreibt immer, wobei ihm der Pastor helfen muß, Vermittlungs-Broschüren. Darüber wird er zuletzt verrückt und stirbt.

18.

STORCH ALS CONFUSIONARIUS.

HEUTE SO MORGEN SO

Zum Schluß muß cs darauf hinauslaufen, daß der alte gute Kerl in eine Art von imbeziler Konfusion verfällt, so daß er in einer einzigen Viertelstunde drei verschiedene Dinge tut oder Beschlüsse faßt: eines stock-konservativ; das zweite jüdisch-aufgeklärt in Rücksicht auf die Schwiegertochter, die er gern hat, und keck freisinnig, und dann wieder rationali­stische Mittelpartei.

Daran geht er dann zu Grunde, bis ein Schlaganfall ihn erst halb, dann ganz erlöst.

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