nutzige liberale Zeitungsblätter recht berichtet haben (ein Widerspruch ist bis jetzt nicht laut geworden), von Herrn Minnigerode selbst verkündet worden, daß »Wahlreden und Erklärungen nur auf den Wahlkampf berechnet seien, nur ganz allgemein gehalten würden, und daß man sich daran als Abgeordneter nicht zu binden brauche.« Darauf hat Herr v. Minnigerode vor einigen Tagen in Elbing in einer hauptsächlich aus Arbeitern zusammengesetzten Wählerversammlung gesprochen, ist in solenner Weise ausgelacht worden und hat seinen Vortrag zuletzt abgebrochen, weil er sich nicht »zum Narren halten lassen« wolle. Ob die konservativen Herren sich diese Lehre zu Herzen nehmen werden? Oder spricht dieser Vorgang nicht deutlich genug dafür, daß auch die von jenen Herren abhängigen Leute sie hinlänglich durchschauen und nur einem Zwange gehorchen, dem sie nicht auszuweichen vermögen, dabei aber die Faust in der Tasche ballen und scharenweise da- vonlaufen, um in anderen Weltteilen sich als freie Menschen fühlen zu können? Die schmachvollen Agitationen, welche bei der diesmaligen Wahl von pseudokonservativer Seite in Szene gesetzt worden sind, erhalten durch diese in Maldeuten verlautbarten Selbstbekenntnisse erst die richtige Beleuchtung, und wer noch nicht sehen kann, der mag es an diesen Bekenntnissen lernen. Der »Junker mit staatsmännischen Allüren« verachtet die übrige Menschheit viel zu sehr, als daß er mit seinen eigentümlichen Grundsätzen vortreten sollte, wie es einem ehrlichen Konservativen zukommen würde. Er ist nach seiner Anschauung zum Herrschen geboren, die übrige Menschheit ist dazu da, um zu dienen und zu zahlen. Die ganze Misere der liberalen Gesetzgebung vom Jahre 1807 an konzentriert sich für diese Leute in die Notwendigkeit, statt des simpeln Befehls die Überredung anwenden zu müssen. Dadurch ist nach dieser Lehre die göttliche Ordnung auf den Kopf gestellt, und sie muß erst wieder zurecht gerenkt werden. Der Junker herrscht und befiehlt, die Canaille gehorcht, dient und zahlt. Aber hinter dieser Einbildung von dem Wesen der göttlichen Ordnung auf Erden steht dann der selbstverständliche Satz, daß dem Junker niemand etwas zu befehlen hat. Bevor diese altererbtc Gesinnung nicht erloschen sein und der gebührenden Achtung vor den anderen Klassen der Bevölkerung Platz gemacht haben wird, kann cs bei uns zum Schaden der politischen Entwickelung keine wirklich konservative Partei geben.
Malvasier: bei F. besonders beliebte Birnensorte, vgl. 1. Kp. «Unterm Birnbaum». mudike: angefault.
». . . still siiul.«: Im Manuskript folgen sechs Zeitungsausschnitte:
Gutzkow und das heutige Pädagogentum
Gutzkow, der selbst bekanntlich nicht frei von krankhafter Selbstüberschätzung war, spricht sich doch in dem letzten aus seiner Feder geflossenen Schriftstücke, der umfangreichen Vorrede zu der zweiten Auflage der »Neuen Serapionsbrüder«, auf das entschiedenste gegen die immer mehr hereinbrechende übermütige Volksverwilderung aus, nicht minder aber auch gegen manche der vorgeschlagenen Heilmittel. Sehr scharf kritisiert er insbesondere das heutige selbstzufriedene Pädagogentum: »Die Schule soll wirkenI Du lieber Himmel! Die deutsche Schule, sie taugt ja selber nichts. Sie ist die wahre Pflanzstätte des Dünkels, der Blähsucht, der Gemütsleere, des Pietätsmangels. Nehme man doch die meisten modernen Lehrer. Wo ist denn da ein Funke von Demut? Alles wissen ja die Herren. Alles können sie. Die Schullehrer haben Königgrätz gewonnen, Wörth und Sedan. Was kann aus der Schule anderes kommen, als Prahlsucht? unser grassierender Streberdrang? stetes Drängeln? Unsere ganze wissenschaftliche Gegenwart sogar auf den Universitäten ist Drängeln.« Dann klagt Gutzkow die Volksbühne als »Verbreiterin frivoler Anschauungen« und die falsche Toleranz unserer Theaterzensur an, die gegen Männer von Geist und Charakter ablehnend sein kann; aber in den Punkten, die für die Volksbildung maßgebend sind, eine arkadische Nachsicht hat. . . »Alles ist Schein 1 Alles ist Lüge! lauten die Refrains. Der Komiker ist der Erzieher des Volkes geworden. Die Reife des Urteils nimmt man aus dem Munde der Nähterin, des Barbiers im Theater.« - Eine weitere scharfe Anklage richtet Gutzkow wider deutsche Witzblätter, gegen die er die Harmlosigkeit des englischen »Punch« in Vergleichung stellt: »Was aber bei uns? Eine fortwährende höh-