Heft 
(1885) 34
Seite
804
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Deutsche Noman-Sibliothek.

Graf und Gräfin Petöfy die Saison eröffnen und ihren ersten Ball geben wollten. Und will mir auch die Palmen und sogar die Lebensbäume betrachten, die nun wohl eine Woche lang im Hause bleiben und mir dann von hier aus bei den Augustinern ihren letzten Liebesdienst leisten werden."

Unter diesem Selbstgespräche war er eingetreten und sah auf den ersten Blick und mit besonderer Befriedigung, daß Aufstellung und Anordnung genau so waren, wie letzten Winter, als Franziska zum ersten Male hier erschien. Auch die grüne Nische war wieder arrangirt, in der er damals, als die Nachricht von Gablenz' Tode kam, mit Egon und Graf Coronini gesessen und des jungen Rittmeisters unliebsame Bemerkungen so scharf Zurückgewiesen hatte. Jedes seiner eigenen Worte kam ihm wieder in Erinnerung, und er lächelte:War es eine Vor­ahnung? Jedenfalls ist es mir lieb, damals nicht anders gesprochen zu haben."

Er ging vom Saal her den langen Korridor hinunter. Als er die Zimmerreihe passirte, darin Franziska jetzt wohnte, traf er Hannah.

Ist die Gräfin zu Hans?"

Nein. Eben fort; sie braucht noch Einiges für den Abend."

Es ist gut so. Wenn Du sie siehst, sag' ihr, daß ich nach ihr gefragt. Aber vergiß es nicht."

Er gab ihr die Hand, was ihr auffiel. Dann ging er auf sein Zimmer zu, darin Andras eben das Fenster schloß.

Ich bin für Niemand zu sprechen, Andras. Für Niemand. Und diesen Brief gib an die Gräfin, wenn sie zurück ist. Und nun geh'. Ich will allein sein."

Fünfunddreisstgstes Kapitel.

Eine Woche darnach, nachdem seitens der Kirche sein gewaltsamer Tod aus einen Anfall von Melan­cholie gedeutet worden war, war Todtenfeier bei den Augustinern, und das Wappen der Petöfys stand zu Hänpten des Katafalks, darüber die schwarze Sammet­decke mit dem Silberkreuz ausgebreitet lag. Im Halbkreis um den Altar her aber saßen außer den nächsten Angehörigen auch entferntere Leidtragende der Familien Asperg und Gnndolskirchen, während das ganze Schiff der Kirche von Uniformen blitzte. Da­neben viel Volks. Denn der Heimgegangene hatte die Werke der Barmherzigkeit allezeit geübt und war ein Christ in seinem Thun gewesen, wie sehr es sein Wort auch bestritten haben mochte. Viele waren selbstverständlich nur aus Neugier gekommen und er­zählten im Flüstertöne, was sie von seinem Tode gehört hatten: er habe zurückgelehnt in seinem Schreibstuhl gesessen, auf den ersten Blick ohne Zeichen äußerer Verletzung oder überhaupt dessen, was geschehen sei, denn er habe sich nach innen hin verblutet. Auch über das, was seinen Tod ver­schuldet, wurde gemuthmaßt: es habe sich um ein Hosamt gehandelt, das eben vakant geworden und in früherer Zeit immer bei den Petöfys gewesen sei, der Kaiser aber Hab' es nicht gewollt, entweder wegen der jungen Gräfin oder noch von Neunundvierzig und der Revolution her. Und das habe der alte

Graf nicht verwinden können. So ging das Gespräch. Alles schwieg aber vom selben Augenblick an, wo Pater Feßler vor dem Altar erschien und mit der ihm eigenen und beinahe kirchenfürstlichen Würde die Celebrirung desTodtenamtes begann. DieResponsorien klangen und die Kerzen auf den mit Flor umwundenen Leuchtern brannten dunkler noch als gewöhnlich in dem über ihnen liegenden Weihrauchgewölk.

Eine Stunde später leerte sich die Kirche wieder, und die Dienerschaften des Grafen trugen den Sarg zu vorläufiger Unterkunft in eine der Seitenkapellen.

Es war zu verhältnißmäßig früher Stunde, daß die Feier stattgesunden hatte; die nächsten Leid­tragenden kehrten in das Palais Petöfy zur Gräfin Judith zurück, während die junge Gräfin ohne Säu­men nach Schloß Arpa hin ausbrach, in dessen Gruft- kapelle der alte Graf am drittfolgenden Tage bei­gesetzt werden sollte.

Die Fahrt währte nur wenige Stunden, und die verschleierte Nachmittagssonne stand noch über den Bergen, als Franziska bei Nagy-Vasar den Schnellzug verließ und unmittelbar darnach das Schiff bestieg.

Ein Jeder an Bord wußte von dem Tode des Grafen, und die Flagge wehte von Halbmast.

Als das Schiff an der Landungsbrücke von Szegenihaza angelegt hatte, war die Sonne schon gesunken, und Franziska nahm allein Platz in dem ihrer harrenden Wagen. Ach, wie verändert Alles seit jenem Julitage, wo sie hier Zum ersten Male, den blauen Himmel über sich, über die sonnige Flüche hingeflogen war. Auf den Feldern standen heut überall Tümpel und Lachen, und durch den aus­geweichten Boden hin ging es langsam und oft im Schritt auf das Schloß zu, dessen Umrisse sich im Nebel und Zwielicht kaum noch erkennen ließen. Alles war öde und abgestorben, und nichts als ein Rest von gelbem Laube hing noch an den Bäumen, die hie und da neben dem Wege standen. Dabei tiefe Stille, nur dann und wann unterbrochen, wenn ein paar Krähen anfflogen.

Und nun hatte der Wagen den Punkt erreicht, wo der Weg in Schlängellinie bergan zu steigen be­gann. Als sie bis zu halber Höhe hinaus waren, hielt ihr Gefährt, und Franziska sah, als sie sich vorbeugte, daß nian nicht weiter konnte, weil ein schwerer, ebenfalls bergan fahrender Lastwagen die Passage so gut wie gesperrt hielt.

Was ist es?" fragte sie den Kutscher, als das Gezänk mit dem Vordermann einen Augenblick schwieg.

Js Glocke, Gräfin gnädigste," antwortete der Kutscher und rief dem Andern zu, daß er links bis an den Rand hin ausbiegen und die Felsen- oder Innenseite freigeben solle. Mühsam geschah es, und einen Augenblick später fuhr Franziska dicht an dem Wagen und seiner mit einem schwarzen Segeltuch über­deckten Last vorüber.

-s-

Jm Schlosse fand sie's wohnlicher, als sie zu hoffen gewagt hatte; den zweiten Tag, wie verab­redet, kam Gräfin Judith uud am dritten Tage stand der letzte Petöfy vor dem Altar unten in der Grust- kapelle. Die Ceremonie wiederholte sich hier wie bei den Augustinern, nur mit dem Unterschiede, daß