Heft 
(1878) 22
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eine Anzahl amtirender Geistlicher im Ornate hervorgerufen wird. Auf diesen äußeren Eindruck ist die Amtstracht be­rechnet. Parteien und Publikum sollen äußerlich erkennen und j unterscheiden, daß die Männer, welche die Robe tragen, für die Zeit ihrer Rechtsprechung äußeren Einflüssen entrückt, Leidenschaften und persönlichen Neigungen oder Abneigungen entsagend, unbekümmert um Wohl Und Wehe des einzelnen, nur das eine hohe Ziel, die Findung des Rechtes im Auge haben. Darum die schwarze ernste Robe, ein äußerliches Kenn­zeichen der Unterscheidung von anderen Menschen in gewöhn­lichen Lebensverhältnissen.

j Trotz alledem möchten wir aus verschiedenen Gründen der

! allgemeinen Einführung der Robe doch nicht das Wort reden.

! Zunächst ist es unbestritten, daß bei allen gemeinsamen,

j vom Gewöhnlichen abweichenden und auffallenden Trachten

! und eine solche ist die Robe stets sehr viel auf die Per-

^ sönlichkeit des Trägers der Kleidung ankommt, wenn nicht das

gerade Gegentheil des beabsichtigten Zweckes erreicht werden soll. Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist oft nur ein kurzer Schritt und für eine kleine umfangreiche Figur ist die Robe nimmer geschaffen. Wir wollen des begleitenden Barets nicht näher erwähnen, das unzweifelhaft noch an: besten aussieht, wenn es seinen Zweck nicht erfüllt, sondern ruhig auf dem Tische liegt, nicht des Umstandes, daß in heißer Jahreszeit die Robe gleich über die Weste gezogen wird und die weiten mitunter zurückgestreiften Aermel den Mangel eines Rockes vermißen, nicht der bedenklichen Ausnahme, die eine neu einzuführende Tracht bei dem großen Publikum stets zu fürchten hat, endlich auch nicht der entschiedenen Abneigung, die sich bei fast allen älteren Civilbeamten rücksichtlich jeder auffallenden und ab­weichenden Kleidung geltend zu machen pflegt. Es sind dies Schattenseiten, die mit der Zeit ihre Schürfe verlieren würden, wie es denn gewiß viele Richter gibt, denen aus Gewohnheit die Robe lieb geworden ist. Es tritt die Bequemlichkeit hinzu, denn die Robe hängt im Garderobenzimmer des Gerichts, wird übergeworfen und zugehakt und deckt vermöge ihrer Länge und Weite jegliche beliebige Unterkleidung.

Aber ein Umstand ist es, an welchem unseres Erachtens die Einführnng der Robe scheitern muß. Die Robe soll Amts­tracht des Richters bei der öffentlichen Rechtsprechung sein, sie i soll bekunden, daß der Träger in diesem Augenblicke der un­erschütterliche, unbestechliche, seinem Eide getreue und allen Ein- ^ slüssen fremde Diener der Gerechtigkeit ist. Wer sind denn ! aber heut zu Tage diese rechtsprechenden Richter? Die Zeiten sind vorüber, daß nur gelehrte Richter auf den Richterstühlen saßen, der Laienstand ist wie in früheren Jahrhunderten wieder zur Rechtsprechung mit berufen und hat haarscharf dieselben Pflichten wie der gelehrte Richter. Wir brauchen gar nicht an ! Berwaltungsgerichte, Handelsgerichte und Gewerbegerichte zu j erinnern, sondern es genügt ein Blick ans das neu einzuführende deutsche Strafprozeßverfahren. Das Gerichtsverfassungsgesetz hat Geschworenengerichte, gelehrte Gerichte und Schöffengerichte geschaffen. Wer soll die Robe nun tragen, nur der gelehrte Richter oder auch die Geschworenen und die Schöffen? Man wende uns nicht ein, die Geschworenen seien keine Richter. Sie sind es doch und zwar in des Wortes recht eigentlicher Be­

deutung. Sie sind berufen, di? Schuldfrage zu entscheiden, das Allerwesentliche im ganzen Kriminalprozesse. Bon ihrem Ausspruche hängt das Wohl und Wehe der Beschuldigten ab, der gelehrte Richter ist an den Ausspruch der Geschwo­renen gebunden und hat nur noch die Straffrage zu er­ledigen. Die Schöffen aber stehen dem gelehrten Richter völlig gleich, sie entscheiden mit diesem gemeinschaftlich die Schuldfrage und die Straffrage, sie üben das Richteramt in vollem Um­fange und mit gleichem Stimmrechte wie der gelehrte Richter aus, und nehmen auch an denjenigen im Laufe der Hauptver­handlung zu erlassenden Entscheidungen theil, welche in keiner Beziehung zu der Urtelsfällung stehen. (K 30 des Gerichts­verfassungsgesetzes.)

Will man also nur irgendwie konsequent verfahren, so müssen Geschworne und Schöffen ebenso wie der gelehrte Richter die Robe tragen. Daß dies bei dem steten Wechsel in der Person der Geschwornen und Schöffen kaum verlangt werden kann, liegt auf der Hand, wenn man sich nicht entschließen will, auf Staatskosten die nöthigen Roben zu verschaffen, die dem einen zu eng oder zu kurz, dem andern zu weit oder zu lang sein würden. Will man aber eine Inkonsequenz verzeihen und Geschworne und Schöffen vom Tragen der Robe entbinden, so liegt die Befürchtung nahe, daß dein gelehrten Richter äußer­lich ein Uebergewicht verliehen wird, was durch nichts be- ! gründet ist. Aber wir haben uns eingangs unserer Betrachtung zu ! Gunsten einer allgemeinen Amtstracht ausgesprochen und stehen nicht an, den durch ganz Deutschland allgemein üblichen schwarzen Gesellschaftsanzug mit weißer Binde als inne zu haltende Tracht für alle bei Gerichtsverhandlungen mitwirkende Richter, Geschworne, Schöffen, Proknratoren und Anwälte vor- znschlagen. Man erreicht hiermit freilich keine absonderliche, aber doch eine durch und durch anständige und übereinstimmende äußere Erscheinung des Gerichtspersonals, die darauf hindentet, daß die Träger dieser Tracht sich in Ausübung ihrer Pflicht befinden und ihre äußere Erscheinung mit dem Ernste in Ueber- einstimmung gesetzt haben, der sie beseelen soll. Man wende nicht ein, daß der Frack ein unschönes, ja häßliches und un­bequemes Kleidungsstück sei. Denn so richtig dieser Vorwurf auch sein mag, so unbestritten ist es andererseits, daß dieses Kleid bisher allen Angriffen widerstanden und alle Versuche, ihn durch den Oberrock zu ersetzen, vollständig gescheitert sind. Wir treffen den Frack heutzutage in allen Schichten der bessern Gesellschaft, wir finden ihn am Taufstein, bei der Einsegnung, bei der Trauung, beim Abendmahl, beim Sarge, am Hofe und auf dem Balle, er ist Trauer- und Festkleid zugleich, er be­deutet, daß sein Träger zu einer außerordentlichen heiligen oder festlichen Handlung berufen ist; warum will man ihn von den Richterstühlen verbannen und ihn einem Kleidungsstücke opfern, das in den meisten deutschen Ländern unbekannt, von mehr als zweifelhaftem Werthe ist? *

Unerläßlich ist freilich, daß auch der übrige Anzug mit dem Leibrocke übereinstimmt, daß Beinkleid und Weste von gleichem schwarzen Stoffe sind und die weiße Binde nicht ver­gessen wird. Wenn dies alles zusammen wirkt, so kann unseres Erachtens der Eindruck einer erhöhten Feierlichkeit und auf diesen allein kommt es an niemals verfehlt werden. E.

Am JamMenLische.

Karl Gussow.

(Zu dem Bilde auf S. S4S.)

Wer die letzte große Berliner Kunstausstellung besuchte, konnte regelmäßig ein zahlreiches Publikum vor einem nicht eben großen Bilde versammelt sehen, das von jedem, gleichviel, ob er sich von demselben angezogen oder abgestoßen fühlte, mit ungemeinem Interesse betrachtet wurde.Nein, sehen Sie nur die schreienden Farben, das orange­gelbe Taschentuch, welches die rothwangige, blondhaarige Dirne schwingt."

Ja, und gleich daneben die Brünette mit den pechschwarzen Angen."

Sagen Sie, was Sie wollen," fiel ein dritter ein,hier ist eine volle wahre Natur, hier sind Menschen, wie sie leiben und leben. Der Meister, der diesWillkommen" schuf, hat ein scharfes Auge, welches jede Linie mit Energie festhält und treu wiedergibt und seine Farben, für die er eine großartige Empfindung hat, passen vollkommen zum Bilde."

Karl Gussow, jetzt einer der berühmtesten unter den Berliner Künstlern, eine durchaus eigenartig schaffende, realistische Natur zieht !

> unwillkürlich jeden Beschauer an. Ihm gegenüber kann keiner neutral ! bleiben. Wie eigenthümlich, daß Gussow ans das belebende Spiel von ! Licht und Schatten ganz Verzicht leistet! Alle seine Bilder sind in ! gleicher Beleuchtung gemalt und üben dennoch eine plastische Wirkung aus. - Gussow ist ein Schüler Rambergs und Panwels; doch läßt sich ein direkter Einfluß dieser beiden Meister bei ihm nicht erkennen. Bon Weimar, wo er sich ausgebildet, begab er sich nach München, dann nach Italien. Einige Jahre darauf finden wir ihn als Professor in Weimar, wo seine technischen Bestrebungen große Anerkennung fanden und er auch als Lehrer bedeutende Erfolge erzielte, die ihm treu blieben, als er nach .Karlsruhe und endlich nach Berlin als Professor kam. Neben dem wirkungsvollen Bilde, das wir heute bringen, sind unter Gussows Werken noch zu nennen:Kätzchen",Der Blumen­freund",Kopf einer alten Frau",Mädchen mit Bronzcfignr" und Mädchen mit Früchten". Alles auf das Studium der Natur be­gründete lebenswahre Schöpfungen.