Namen und Datum und die Hölderlinsche Zeile lasen. Jeetze wollte den Stein verstecken, aber Maline sagte: „Nein, nein, das bedeutet Glück," was natürlich meine gute Schorlemmer in Feuer und Flamme über die Uuausrottbarkeit des wendischen Aberglaubens brachte. (Lewin übernimmt Guse; sie werden dort als ein junges Paar leben. Es ist am besten so.)"
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„Gestern war Hochzeit. In Bohlsdorf. L-win hatte darauf bestanden; er wollte da getraut werden, wo sich sein Leben entschieden habe. So fuhren wir in drei Wagen hinüber Mit uns Drosselstein und Hirschfeldt (der den Arm verloren hat, leider den rechten). Bamme war geheimnißvoll und erklärte, „sein Brautgeschenk vorläufig vergraben zu haben". Aber der Tag der Auferstehung werde kommen. Die Schorlemmer empört, wir anderen neugierig. Seidentopf hielt die Rede; nie hat er besser gesprochen; es ist doch wahr, daß das Herz den Redner macht. Er nahm einen Bibeltext; aber eigentlich sprach er über die Zeile: „Und kann auf Sternengehen". Nach der Trauung nahinen wir einen Imbiß auf dem Amts- hofe. Die junge Frau noch hübscher geworden; wieder an Ka- thinka erinnert. Rückfahrt im offenen Wagen. Entzückend. Die Sommerfäden flogen und setzten sich in Mariens grünen Kranz. Es war wie ein zweiter Brautschleier. Bamme, der nur den volksthümlichen Namen dieser Fäden kannte, ereiferte sich über die „Ungalanterie des feurigen Septembers", beruhigte sich aber, als ich ihm sagte, daß diese Fäden auch „Mariengarn" heißen. Uebrigens haben Lämmerhirt und Seidentopf Brüderschaft getrunken und wollen korrespondiren. Lämmerhirt sammelt auch Todtentöpfe, und ist germanisch. Also gegen Turgany."
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„Heute haben wir unseren lieben Seidentopf zur letzten Ruhe gebracht. Auch Lewin und Marie kamen von Gnse herüber, und die drei ältesten Kinder. Sie brachten große Kränze von Flieder mit, der in diesem Jahre so schön in Guse blüht. Pastor Zabel von Dolgelin hielt die Grabrede; gutgemeint und alltäglich. Papa will es nicht wahr haben; aber er legt immer aus seinem Eigenen zu. Auch Turgany war da; sehr bewegt. Er führte mich, als wir zurückgingeil, und sagte dann in seiner Art: „Nun kann ich diesen Landestheil unangefochten für wendisch erklären; aber ich thät es lieber nicht."
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„Brief von Kathinka (ans Paris). Theilnehmend, aber sehr vornehm. Wir sind ihr kleine Leute geworden. Sie kennt
nur noch zweierlei: Polen und „die Kirche".
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„Wir waren gestern in Guse drüben, Papa, die Schorlemmer und ich. Als wir bei Tische saßen, wurde der Se- lower Gerichtsdirektor gemeldet, der ein auf dem dortigen Gerichte niedergelegtes Dokument in Person überbrachte. Aufschrift: „An Frau Marie von Vitzewitz. Nach meinem Ableben zu Händen der Adressatin. Bamme, Generalmajor." Wir öffneten und lasen. Er hat Marie sein ganzes Vermögen vermacht, alles in sehr Bammeschen Ausdrücken. Am Schlüsse stand: „Ich Hab' es früh erfahren, wie wenig der Schein bedeutet." Marie entsann sich, Aehnliches gegen ihn geäußert zu haben. Wir gratulirten alle; nur die Schorlemmer verlangte Zurückweisung, „es sei kein Segen daran". Marie aber meinte, „dazu sei sie doch nicht fromm genug", worüber wir alle herzlich lachten; zuletzt auch die Schorlemmer."
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„Und nun bin ich allein, ganz allein, und morgen wird Lewin, der nun Guse verläßt, seinen Einzug in dies alte Hohen- Vietz hail"n, in das mir und ihm so theure Haus, in dem er gesegnet sein möge wie bisher. Und er wird es, denn er bringt seinen guten Engel mit. Meine theure Marie. Sie hat die schwerste Probe bestanden, und das Glück hat sie gelassen wie sie war: demüthig, wahr und schlicht. Und so könnt' ich bleiben, und weiter leben mit und unter ihnen, aber ich mag doch nicht die Tante Schorlemmer ihres Hauses sein. Auch fehlen mir die Lieder und Sprüche. So will ich denn nach „Kloster Lin- dow", unserem alten Fränleinsstift. Da gehör' ich hin. Denn ich sehne mich nach Einkehr bei nur selbst und nach den stillen Werken der Barmherzigkeit. Und nur Eines ist, das ich noch mehr ersehne. Es gibt eine verklärte Welt, mir sagt es das Herz, und es zieht mich zu ihr hinauf."
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Anf einer schmalen Landzunge zwischen zwei märkischen Seen liegt das adlige Stift Lindow. Es sind alte Kloster- gebände: Kirche, Refektorium, alles in Trümmern, und um die Trümmer her ein stiller Park, der Begräbnißplatz, oder ein Begräbnißplatz, der schon wieder Park geworden ist. Blumenbeete, Grabsteine, Fliederbüsche und dazu Kinder aus der Stadt, die zwischen den Grabsteinen spielen.
Und auf einem dieser Grabsteine stand ich und sah in die niederstcigende Sonne, die dicht vor mir eben das Kloster und die stillen Seeflächen vergoldete. Wie schön! Es war ein Blick in Licht und Frieden.
Dann erst las ich den Namen, der auf dem Steine stand: Renate von Vitzewitz.
Am AamitienLische.
Vor dem Grabstein.
(Zu dem Bilde auf Seite 80 ».)
Es ist ein natürlicher Wunsch, die geliebten Züge eines nur zu früh Dahiugeschiedenen wenigstens auf dem Steine, der seine sterbliche Hülle deckt, noch für eine Weile festzuhalten, und die Kunst des Bildhauers verdankt ihm reiche Anregung. Grabsteine, welche die Gestalt des Verstorbenen zeigen, gehören zu den ältesten Erzeugnissen der Skulptur in Deutschland. Und gerade sie machen trotz der mangelhaften steifen Ausführung einen ganz besonders rührenden Eindruck. Ost spricht aus ihnen der Kampf des sinnigen aber von der Technik nur wenig unterstützten Künstlergeistes mit dem spröden Material in sehr ergreifender Weise. Jenes liebevolle Sichversenken in die Arbeit, das uns aus allen besseren Werken des deutschen Mittelalters so ansprechend entgegentritt, spricht auch schon aus jenen alten Grabsteinen.
Die Entstehung eines solchen führt uns unser Bild vor. Wie Kopf und Gestalt des Ritters anzeigen, ist die Technik schon auf einer hohen Stufe, aber die Innigkeit ist geblieben, und beides hat sich zu einem die Beschauerin tief ergreifenden Ganzen gepaart. Auf sie wirkt die Gestalt ja freilich nicht nur als Kunstwerk, denn die lieben Züge, welche sie aufweist, rufen tausend Erinnerungen wach und erneuern den Schmerz über das verlorene Glück. Und doch verliert der Schmerz andererseits vor diesem Bilde seinen Stachel und weicht jener tiefen aber beglückenden Erregung, welche die Kunst Hervorrust.
Kleine Baumeister.
Mit großer Sicherheit läßt sich behaupten, daß ein nicht geringer Theil aller Kalkablagerungen unserer Erde schon durch Thierleiber in
einer oder der anderen Form hindurchgegangeu ist. Läßt sich dies oft nur durch langwierige Untersuchungen Nachweisen, so gibt es doch auch sehr bedeutende Kalkmassen, denen man auf den ersten Blick ihre Eut- stehungsweise ansieht. Dies sind die Korallenriffe.
Die Erbauer derselben find Polypen, und zwar die zierlichsten Gattungen dieser sonderbaren Geschöpfe, deren seltenste (jedoch nicht Riffe aufführende) Art, die rothe Koralle, das Material zu den hochgeschätzten Schmucksachen liefert, deren größere Einzelformen, wie z. B. die schöngefärbten Seeanemouen, wohl schon mancher Badegast am Strande des Meeres gesehen und bewundert hat. Der Körper unserer Thiere bildet gewissermaßen einen Sack, von dessen oberem, mit Fangarmen besetzten Rande ein anderer kleinerer Mund- und Magensack nach innen führt, der wieder mit dem äußeren durch eine Anzahl aufrecht stehender Scheidewände verbunden ist. Wie nun der Mensch z. B. das Material zum Aufbau seines Skelettes seiner Nahrung entnimmt, so haben auch viele Arten der Polypen die Fähigkeit, den im Meerwasser aufgelösten kohlensauren Kalk abzuscheiden und ihn in den inneren Scheidewänden, sowie um den unteren Theil des Leibes abzulagern, sich so zugleich eine Stütze und einen Schutz für ihren zarten Körper bildend. Zerfällt letzterer, so bleibt nur dieses Kalkgerüst, der eigentliche napf- oder becherförmige Wohnsitz übrig, in welchem die feinen, nach dem Mittelpunkt verlaufenden Blättchen noch die ehemaligen inneren Scheidewände des Leibes andeuten. Jede der unzähligen Poren oder Zellen eines Korallenzweiges bietet uns diesen Anblick dar; die Polypen sind vergangen, ihr Werk ist geblieben.
Entsprechend ihrer besonderen Art geben aber diese Wesen ihren Einzelwohnungen eine verschiedenartige Form und Anordnung, und