Heft 
(1897) 06
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Atelier Land und Meer.

kahlen Vorhof bildeten, aus dem, als einziges Schmuck­stück, eine große blanke Glaskugel sich präsentierte. Sonst sah man nichts als eine vor dem Hause sich hinziehende Rampe, von deren dem Hofe zugekehrter Vorderwand der Kalk schon wieder abfiel. Gleich­zeitig war aber doch ein Bestreben unverkennbar, gerade diese Rampe zu was Besonderem Zn machen, und zwar mit Hilfe mehrerer Kübel mit exotischen Blattpflanzen, darunter zwei Aloes, von denen die eine noch gut im Stande, die andre dagegen krank war. Aber gerade diese kranke war der Liebling des Schloßberrn, weil sie jeden Sommer in einer ihr freilich nicht Ankommenden Blüte stand. Und das hing so zusammen. Ans dem sumpfigen Schloß­graben hatte der Wind vor langer Zeit schon ein fremdes Samenkorn in den Kübel der kranken Aloe geweht, und alljährlich schossen infolge davon aus der Mitte der schon angegelbten Aloeblätter die weiß und roten Dolden des Wasserliesch oder des Uu- tomo8 umbellatim aus. Jeder Fremde, der kam, wenn er nicht zufällig ein Kenner war, nahm diese Dolden für richtige Aloeblüten, und der Schloßherr hütete sich wohl, diesen Glauben, der eine Quelle der Erheiterung für ihn war, zu zerstören.

Und wie denn alles hier herum den Namen Stechlin führte, so natürlich auch der Schloßherr selbst. Auch er war ein Stechlin.

Dubslav von Stechlin, Major a. D. und schon ein gut Stück über die Sechzig hinaus, war der Typus eines Märkischen von Adel, aber von der müderen Observanz, eines jener erquicklichen Originale, bei denen sich selbst die Schwächen in Vorzüge ver­wandeln. Er hatte noch ganz das eigentümlich sympathisch berührende Selbstgefühl all derer, die schon vor den Hohenzollern da waren", aber er hegte dieses Selbstgefühl nur ganz im stillen, und wenn es dennoch zum Ausdruck kam, so kleidete sich's in Humor, auch wohl in Selbstironie, weil er seinem ganzen Wesen nach überhaupt hinter alles ein Fragezeichen machte. Sein schönster Zug war eine tiefe, so recht aus dem Herzen kommende Humanität, und Dünkel und Neberheblichkeit (während er sonst eine Neigung hatte, fünf gerade sein zu lassen) waren so ziemlich die einzigen Dinge, die ihn empörten. Er hörte gern eine freie Meinung, je drastischer und extremer, desto besser. Daß sich diese Meinung mit der (einigen deckte, lag ihm fern zu wünschen. Beinah' das Gegenteil. Paradoxen waren seine Passion.Ich bin nicht klug genug, selber welche zu machen, aber ich freue mich, wenn's andre thnn; es ist doch immer was drin. Unan­fechtbare Wahrheiten giebt es überhaupt nicht, und wenn es welche giebt, so sind sie langweilig." Er ließ sich gern was vorplandern und plauderte selber gern.

Des alten Schloßherrn Lebensgang war märkisch­herkömmlich gewesen. Von jung an lieber im Sattel als bei den Büchern, war er erst nach zweimaliger Scheiterung siegreich durch das Fähnrichsexamen gesteuert und gleich danach bei den brandenburgischen Kürassieren eingetreten, bei denen selbstverständlich auch schon sein Vater gestanden hatte. Dieser sein i

Eintritt ins Regiment fiel so ziemlich mit dem Re­gierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. Zusammen, und wenn er dessen erwähnte, so hob er, sich selbst persiflierend, gerne hervor,daß alles Große seine Begleiterscheinungen habe". Seine Jahre bei den Kürassieren waren im wesentlichen Friedensjahre gewesen; nur anno vierundsechzig war er mit in Schleswig, aber auch hier, ohnezur Aktion" zu kommen.Es kommt übrigens für einen Märkischen nur darauf an, überhaupt mit dabei gewesen zu sein; das andre steht in Gottes Hand." Und er schmunzelte, wenn er dergleichen sagte, seine Hörer jedesmal in Zweifel darüber lassend, ob er's ernst­haft oder scherzhaft gemeint habe. Wenig mehr als ein Jahr vor Ausbruch des vierundsechziger Kriegs war ihm ein Sohn geboren worden, und kaum wieder in seine Garnison Brandenburg ein­gerückt, nahm er den Abschied, um sich ans sein seit dem Tode des Vaters halb verödetes Schloß Stechlin znrückznziehen. Hier warteten seiner glück­liche Tage, seine glücklichsten, aber sie waren von kurzer Dauer schon das Jahr daraus starb ihm die Frau. Sich eine neue zu nehmen, widerstand ihm, halb aus Ordnungssinn und halb aus ästhe­tischer Rücksicht.Wir glauben doch alle mehr oder weniger an eine Auferstehung," (das heißt, er per­sönlich glaubte eigentlich nicht daran)und wenn ich dann oben ankomme mit einer rechts und einer links, so is das doch immer eine genierliche Sache." Diese Worte wie denn der Eltern Thun nur allzu häufig der Mißbilligung der Kinder begegnet richteten sich in Wirklichkeit gegen seinen dreimal verheiratet gewesenen Vater, an dem er überhaupt allerlei Großes und Kleines ansznsetzen hatte, so beispielsweise auch, daß man ihm, dem Sohne, den Hommerschen NamenDubslav" beigelegt hatte. Gewiß, meine Mutter war eine Pommersche, noch dazu von der Insel Usedom, und ihr Bruder, nun ja, der hieß Dubslav. Und so war denn gegen den Namen schon um des Onkels willen nicht viel einzuwenden, und um so weniger, als er ein Erbonkel war. (Daß er mich schließlich schändlich im Stich ge­lassen, ist eine Sache für sich.) Aber trotzdem bleib' ich dabei, solche Namensmanscherei verwirrt bloß. Was ein Märkischer ist, der muß Joachim heißen oder Woldemar. Bleib im Lande und taufe dich redlich. Wer aus Friesack is, darf nicht Naonl heißen."

Dubslav von Stechlin blieb also Witwer. Das ging nun schon in die dreißig Jahre. Anfangs war's ihm schwer geworden, aber jetzt lag alles hinter ihm, und er lebteeomms p!Ulo8oMo" nach dem Wort und Vorbild des großen Königs, zu dem er jederzeit bewundernd ansblickte. Das war sein Mann, mehr als irgendwer, der sich seitdem einen Namen gemacht hatte. Das zeigte sich jedesmal, wenn ihm gesagt wurde, daß er einen Bismarckkops habe.Nun ja, ja, den Hab' ich; ich soll ihm sogar ähnlich sehen. Aber die Leute sagen es immer so, als ob ich mich dafür bedanken müßte. Wenn ich nur wüßte, bei wem; vielleimt beim lieben Gott, oder am Ende gar bei Bismarck selbst. Die Stechline sind aber auch nicht von schlechten Eltern. Außerdem,