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Stechlin.
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ich für meine Person, ich habe bei den sechsten Kürassieren gestanden und Bismarck bloß bei den siebenten, und die kleinere Zahl ist in Preußen bekanntlich immer die größere; — ich bin ihm also einen über. Und Friedrichsruh, wo alles jetzt hinpilgert, soll auch bloß 'ne Kate sein. Darin sind wir uns also gleich. Und solchen See, wie den ,Stechlin', nu, den hat er schon ganz gewiß nicht. So was kommt überhaupt bloß selten vor."
Ja, auf seinen See war Dubslav stolz, aber desto weniger auf sein Schloß, weshalb es ihn auch verdroß, wenn es überhaupt so genannt wurde. Bon den armen Leuten ließ er sich's gefallen: „Für die ist es ein ,Schloß', aber sonst ist es ein alter Kasten und weiter nichts." Und so sprach er denn lieber von seinem „Hans", und wenn er einen Brief schrieb, so stand darüber „Haus Stechlin". Er war sich auch bewußt, daß es kein Schloßleben war, das er führte. Vordem, als der alte Backsteinbau uoch stand, mit seinen dicken Thürmen und seinem Luginsland, von dem aus man, über die Kronen der Baume weg, weit ins Land hinaussah, ja, damals war hier ein Schloßleben gewesen, und die derzeitigen alten Stechline hatten teilgenommen an allen Festlichkeiten, wie sie die Nnppiner Grafen und die mecklenburgischen Herzoge gaben, und waren mit den Boitzenburgern und den Bassewitzens verschwägert gewesen. Aber heute waren die Stechline Leute von schwache:: Mitteln, die sich nur eben noch hielten und beständig bemüht waren, durch eine „gute Partie" sich wieder leidlich in die Höhe zu bringen. Auch Dubslavs Vater war ans die Weise zn seinen drei Frauen gekommen, unter denen freilich nur die erste das in sie gesetzte Vertrauen gerechtfertigt hatte. Für den jetzigen Schloßherrn, der von der zweiten Frau stammte, hatte sich daraus leider kein unmittelbarer Vorteil ergeben, und Dubslav von Stechlin wäre kleiner und großer Sorgen und Verlegenheiten nie los und ledig geworden, wenn er nicht in dem benachbarten Gransee seinen alten Freund Baruch Hirschseld gehabt hätte. Dieser Alte, der den großen Ecktuchladen au: Markt und außerdem die Modesachen und Dameuhüte hatte, hinsichtlich deren es immer hieß, „Gerson schicke ihm alles zuerst" — dieser alte Baruch, ohne das „Geschäftliche" darüber zn vergessen, hing in der That mit einer Art Zärtlichkeit an den: Stechliner Schloßherrn, was, wenn es sich gelegentlich mal wieder nur eine neue Schuldverschreibung handelte, regelmäßig zu heikel:: Auseinandersetzungen Zwischen Hirschfeld Vater und Hirschfeld Sohn führte.
„Gott, Isidor, ich weiß, du bist fürs Nene. Aber was ist das Neue? Das Nene versammelt sich immer aus unfern: Markt, und mal stürmt es uns den Laden und nimmt uns die Hüte, Stück für Stück, und die Neihersedern und die Straußenfedern. Ich Lin fürs Alte und für den guten alten Herrn von Stechlin. Js doch der Vater von seinem Großvater gefallen in der großen Schlacht bei Prag und hat gezahlt mit seinem Leben."
„Ja, der hat gezahlt. Freilich auch bloß mit seinem Leben. Aber der von heute.
„Der zahlt auch, wenn er kann und wenn er hat. Und wenn er nicht hat, und ich sage: ,Herr von Stechlin, ich werde schreiben siebeneinhalb', dann feilscht er nicht, und dann zwackt er nicht. Und wenn er kippt, nn, da haben wir das Objekt: Mittelboden und Wald und Jagd und viel Fischfang. Ich seh' es immer so ganz klein in der Perspektiv', und ich seh' auch schon den Kirchturm."
„Aber, Vaterleben, was sollen wir mit'm Kirchturm?"
In dieser Richtung gingen öfters die Gespräche zwischen Vater und Sohn, und was der Alte vorläufig noch in der „Perspektive" sah, das wäre vielleicht schon Wirklichkeit geworden, wenn nicht Dubslavs um zehn Jahre ältere Schwester mit ihrem von der Mutter her ererbten Vermögen gewesen wäre: Schwester Adelheid, Domina zu Kloster Wutz. Die hals und sagte gut, wenn es schlecht stand oder gar zum Aeußersten Zu kommen schien. Aber sic half nicht aus Liebe zu dem Bruder — gegen den sie, ganz im Gegenteil, viel einzuwenden ' hatte —, sondern lediglich ans einem allgemeinen Stcchlinschen Familiengesühl. Preußen war was und die Mark Brandenburg auch; aber das Wichtigste waren doch die Stechlins, und der Gedanke, das alte Schloß in andern Besitz und nun gar in einen solchen übergehen zu sehen, war ihr unerträglich. Und über all dies hinaus war ja noch ihr Patenkind da, ihr Neffe Woldemar, für den sie all die Liebe hegte, die sic dem Bruder versagte.
Ja, die Domina half, aber solcher Hilfen un- erachtet wuchs das Gefühl der Entfremdung zwischen der: Geschwistern, und so kam es denn, daß der alte Dubslav, der die Schwester in Kloster Wutz weder gern besuchte noch auch ihren Besuch gern empfing, nichts von Umgang besaß als seinen Pastor Lorenzen und seinen Lehrer Krippenstapel, zn denen sich allenfalls noch Oberförster Katzler gesellte, Katzler, der Feldjäger gewesen war und ein gut Stück Welt gesehen hatte. Doch auch diese drei kamen nur, wenn sie gerufen wurden, und so war eigentlich nur einer da, der in jedem Augenblicke Red' und Antwort stand. Das war Engelke, sein alter Diener, der seit beinahe fünfzig Jahren alles mit seinen: Herrn durchlebt hatte, seine glücklichen Lieutenants- tage, seine kurze Ehe und seine lange Einsamkeit. Engelke, noch um ein Jahr älter als sein Herr, war dessen Vertrauter geworden, aber ohne Vertraulichkeit. Dubslav verstand es, die Scheidewand zn ziehen. Uebrigens wär' es auch ohne diese Kunst gegangen. Denn Engelke war einer von den guten Menschen, die nicht aus Berechnung oder Klugheit, sondern von Natur hingebend und demütig sind und in einem treuen Dienen ihr Genüge finden. Alltags war er, so Winter wie Sommer, in ein Leinwandhabit gekleidet, und nur wenn es zu Tisch ging, trug er eine richtige Livree von sandfarbenem Tuch mit großen Knöpfen dran. Es waren Knöpfe, die uoch die Zeiten des Nheinsberger Prinzen Heinrich gesehen hatten, weshalb Dubslav, als er mal wieder in Verlegenheit war, zu dem jüngst verstorbenen, alten Herrn von Kortschädel gesagt hatte: „Ja,